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24. August 2014
von Roman Maier
Inhaber/GeschäftsführerKraft, Klangqualität und ein hervorragendes Preis-/Leistungsverhältnis: Gute Gründe, warum die optisch klassisch gehaltene Klipsch RF-62 II seit Jahren zu den weltweit begehrtesten Standlautsprechern gehört. Jetzt legen die Amerikaner nach und präsentieren mit der R-28F den Nachfolger des Erfolgsgaranten. Natürlich mit Horn, und natürlich ebenso selbstbewusst designet. Stellt sich nur noch die Frage, ob die „Neue“ ihrer Vorgängerin auch klanglich das Wasser reichen kann?

Klassische gestyled, geradlinig und ein Musterbeispiel an Kraft, Energie und Leidenschaft. Die Klipsch R-28F.
Fällt der Name „Klipsch“, denken HiFi- wie Heimkinofreunde unweigerlich an gigantische Eckhörner oder mannshohe Standboxen. Attribute, deren man sich weiss Gott nicht schämen muss, denn seit inzwischen 68 Jahren steht die amerikanische Audioschmiede für kompromisslosen Sound – und das selbstverständlich erst Recht unter höchsten Lautstärkepegeln. Eine Vorgabe, die nunmal voluminöse Gehäuse voraussetzt, denn nichts ist den Klipsch-Entwicklern mehr zuwider, als klangliche Kompromisse eingehen zu müssen. Eine Maxime mit Tradition. Genauer gesagt ein Vermächtnis, das auf das Jahr 1941, wohlgemerkt fünf Jahre vor Firmengründung, zurückgeht. Dem Jahr, in dem Paul Wilbur Klipsch mit seinem legendären „Klipschorn“ einen Lautsprecher entwickelte, der für die originalgetreue und unverfälschte Wiedergabe hochwertiger Musikaufnahmen steht. Ein Ziel, dem sich Grösse und Optik des neuen Schallwandlers völlig unterzuordnen hatten. Auch wenn man es aufgrund des visuellen Eindruckes der „Monster“ heute kaum glauben mag, entstand damit vor mehr als 70 Jahren die Ur-Version eines Lautsprechers, der bis heute unter anspruchsvollen Musik-Enthusiasten als einer der besten Schallwandler aller Zeiten gilt. Auf den klanglichen Erfolgen beruhend und um die enorme Nachfrage zu befriedigen, gründete Herr Klipsch im Jahre 1946 dann schliesslich ein Unternehmen namens Klipsch and Associates, das seit dieser Zeit im US-amerikanischen Hope (Arkansas) Lautsprecher für die professionelle Bühnen-, Studio- und Theaterbeschallung wie für den Heimgebrauch produziert. Und obwohl die Designgebung für einen der grössten Audiospezialisten Nordamerikas bis heute ganz eindeutig den klanglichen Vorgaben untergeordnet ist, ist es ausgerechnet ein optisches Detail, das einen jeden Klipsch-Lautsprecher nahezu unverwechselbar macht: Das Horn.
Horn-Technologie: Perfektioniert by Klipsch
Wie gesagt, bei Klipsch setzt man seit jeher auf den Einsatz von Hörnern aller Art. Eine Technik, die bis heute speziell im professionellen Bereich sehr erfolgreich Anwendung findet und hier nicht mehr wegzudenken ist. Vereinfacht erklärt, handelt es sich dabei um eine Art Trichter, der in der Regel vor einen Hoch- oder Mitteltöner gesetzt wird. Hier bedient sich Klipsch eines simplen Tricks, denn da der Schall unweigerlich durch das Horn geleitet und somit gezielt geführt wird, können „Streuverluste“ auf ein absolutes Minimum reduziert werden. Dies hat zur Folge, dass sich deutlich höhere Lautstärkepegel realisieren lassen, ohne dass die Box an ihre Leistungsgrenze gehen muss. Was sich auf den ersten Blick einfach anhört, ist allerdings alles andere als simpel. Denn bietet das Horn dem Schall nicht den perfekten Austrittswinkel oder besitzt es nicht die entsprechende Grösse und Geometrie, neigt es hingegen schnell dazu nasal oder undeutlich zu klingen. Als Resultat jahrelanger Forschung, die bei Klipsch bis zur Perfektion getrieben wurde, haben die Amerikaner mit ihrem sogenannten Tractrix-Horn vor vielen Jahren offenbar die perfekte Lösung gefunden. Eine Lösung, die in Abhängigkeit von der Grösse der jeweiligen Modelle, heute in nahezu jedem Klipsch-Lautsprecher eingesetzt wird und dafür sorgt, dass das amerikanische Traditionsunternehmen heute zu den ganz wenigen Herstellern gehört, denen es gelingt klanglich anspruchsvolle Hornlautsprecher anzubieten.

Vielversprechend: Die Standbox R-28F ist mit einem Tractrix-Horn mit einer Seitenlänge von 145 Millimetern ausgestattet.
Klipsch R-28F: Das steckt drin
Der Hauptprotagonist unseres Tests kommt optisch daher wie man sich einen echten Klipsch Stand-Lautsprecher vorstellt: Selbstbewusst, kantig und opulent bestückt. Mit ihrer Bauhöhe von 107 Zentimetern, bei einer Gehäusebreite von knapp 40 Zentimetern ist die R-28F dabei ganz sicher keine Box, die sich unauffällig in den Hörraum integriert und im Hintergrund agiert. Beileibe nicht. Soll sie aber auch gar nicht, denn mit einem Volumen von über 100 Litern stellt sich dieser Lautsprecher unmissverständlich in den Mittelpunkt. Wie eingangs erwähnt, folgt Klipsch somit auch mit diesem Modell der eigenen Vorgabe, die besagt, dass Klang ganz klar vor Optik geht. Hässlich ist die Klipsch R-28F dabei aber noch lange nicht. Nein, eher klassisch designet. Eben so, wie ein Lautsprecher ausschaut, mit dem man ernsthaft Musik hören will. Laut, leidenschaftlich, hart und dynamisch. Attribute, für die der Name Klipsch seit vielen Jahrzehnten bekannt ist und von Musik- und Filmfreunden, die nach Kraft und Leistung gieren, geliebt wird. Entnimmt man die vollflächige Gewebeabdeckung, findet Besagtes nochmaligen Nachdruck: Jetzt nämlich wird der Blick auf die eingesetzte Chassistechnik frei. Selbige erweist sich übrigens als mindestens so selbstbewusst wie das Gehäuse. Als erstes fällt hier das bereits beschriebene Tractrix-Horn ins Auge. Mit einer Seitenlänge von 145 Millimetern weist die quadratische Konstruktion damit für eine Hochtoneinheit fast schon gigantische Abmessungen auf. Muss sie auch, schliesslich haben wir es hier mit einem Lautsprecher zu tun, von dem selbst unter höchstem Pegel eine durchweg verzerrungsfreie Wiedergabe erwartet wird. Direkt unterhalb des in einer separierten Gehäusekammer thronenden Horns kommt dann das zugehörige Mittel-/Tiefton-Duo zum Vorschein. Dank kupferfarbener Farbgebung der Membranflächen, bei einem Durchmesser von je 20 Zentimetern, zeigen sich diese dann nicht minder auffällig. In Addition mit den dicken Schaumstoffsicken, die einen enormen Hub erwarten lassen, und der riesigen, ebenfalls in der Schallwand platzierten Bassreflex-Öffnung, ist in Sachen Kraft, Ausdauer und Durchzug schon jetzt Aussergewöhnliches zu erwarten. Noch ein Wort über das rückseitig platzierte Anschlussterminal: In Klipsch-Tradition handelt es sich hierbei natürlich um ein Bi-Wire-Modul, das über massive Schraubklemmen verfügt und somit in der Lage ist, auch Kabel grösseren Querschnitts fest an sich zu binden.

Massive Schraubklemmen nehmen Bananas, Kabelschuhe und auch unkonfektionierte Kabel grösseren Querschnitts auf.
Feinjustage: kleine Schritte, grosse Wirkung
Die ausgiebige Beäugung ist abgeschlossen, die 48-stündige Einspielzeit ebenfalls. Der Praxisteil kann also beginnen. Wie immer starten wir diesen mit der Ausrichtung unserer Testprobanden. Ein Punkt, dessen Bedeutung von enormer Wichtigkeit ist, will man das volle Klangpotential der neuen Lautsprechern ausschöpfen. Und ein Punkt, dem beim Einsatz von Hornlautsprechern ein noch grösseres Gewicht zukommt. Die Erklärung dafür ist einfach, denn da das Horn – wie eingangs erklärt – die Angewohnheit hat den Schall gebündelt auszusenden, bedarf es hier etwas mehr Aufwand in Sachen Platzierung. Das ist allerdings kein grosses Problem. Im Gegenteil, denn oftmals macht dieser Vorgang sogar richtig Spass, da kleine Änderungen hier schon enorme Wirkung zeigen können. Kleiner Tipp: Wenn möglich, stellen Sie den rechten und linken Lautsprecher im identischen Abstand zum Referenzplatz auf. Anschliessend richten Sie sie auf den Hörplatz aus. Drehen Sie die Boxen nun in kleinen Zentimeterschritten nach aussen. Sie haben die ideale Position gefunden, sobald der Klang nicht mehr direkt aus den Boxen zu kommen scheint, sondern offenbar mitten im Raum steht.

Zwei riesige, je 200 Millimeter durchmessende Tief-/Mitteltöner versprechen durchzugsstarke Mitten und eine anspruchsvolle Bassperformance.
Rockstar, Draufgänger & Spaßmaschine
So, die Boxen sind eingespielt und ausgerichtet: Zeit also, sie endlich dem Hörtest zu unterziehen. Und da ich in der Vergangenheit schon so manche Erfahrung mit Klipsch-Lautsprechern gesammelt habe, beginne ich gleich mit Josefine Cronholms „In Your Wild Garden“. Einem Song, der von seiner Energie und seinem Durchzug lebt und mir helfen soll, meine Testprobanden gleich ein wenig zu fordern. Mit diesem Futter scheine ich bei meiner R-28F dann auch gleich an der richtigen Adresse. Ansatzlos und ohne die geringste Anstrengung versteht sie es umgehend die einsetzende Bassgitarre satt und voller Temperament in den Raum zu stellen. Dabei geht trotz der enormen Dynamik, die von Beginn an zu erleben ist, kein noch so kleines Detail verloren. Im Gegenteil, denn hier bleibt selbst das kleinste Zupfen an den offenkundig dicken Gitarrensaiten klar und eindeutig vernehmbar. Wow, der Song läuft noch keine 30 Sekunden und ich bin jetzt schon begeistert. Dabei wird mir aber auch schnell klar, dass noch anspruchsvolleres Futter her muss, denn mein Gefühl sagt mir, dass hier noch vieeeel mehr geht.
Also weiter im Text: Diesmal mit Totos „I Will Remember“ und eine Frequenzetage tiefer. Ein Track, dessen Intro einem Lautsprecher in Sachen Tiefgründigkeit und Agilität schnell die Grenzen aufzuzeigen weiss. So aber nicht aber meiner R-28F. Nein, ganz sicher nicht, denn die Masse und Substanz, die mein Testpärchen im Basskeller jetzt an den Tag legt, zwingt mich förmlich zu einem unvernünftigen Dreh am Lautstärkeregler. „Kein Problem, immer her damit!“ scheint mir die Klipsch daraufhin aber nur zu entgegnen. Obwohl inzwischen weit oberhalb der Zimmerlautstärke angekommen, ist sie noch weit davon entfernt zu verzerren oder zu nerven. Nein, sie ist nichtmal in der Nähe davon, denn hier, wo viele andere Schallwandler längst die weisse Fahne geschwenkt hätten, sorgt die grösste Standbox der neuen Reference-Serie für mächtig Feuer und eine für meinen Geschmack perfekte Mixtur aus Präsenz, Kraft und Energie. Was dabei besonders beeindruckt, ist das perfekt austarierte Verhältnis zwischen Grundton und Tiefbass. So satt, straff und nachdrücklich habe ich dieses Intro bislang nur sehr selten gehört. Oder besser gesagt: zumindest noch von keinem Lautsprecher dieser Preisklasse. Noch einmal zur Erinnerung: wir haben es hier mit massiven Standboxen zu tun, die gerade die halbe Nachbarschaft souverän beschallen und deren Stückpreis der deutsche Vertrieb Osiris Audio mit gerade einmal 550,00 Euro Euro beziffert.
Dabei habe ich es offensichtlich nicht nur mit einem fair kalkulierten Zwei-Wege-Tower, sondern auch mit einem echten Draufgänger zu tun, der keine Herausforderung scheut. Einem Draufgänger, der zudem noch viel mehr „auf der Pfanne“ hat, als so mancher vielleicht zunächst glaubt. Eine Erkenntnis, die sich mir spätestens in dem Moment aufdrängt, als Steve Lukather zum Mikrofon greift. Jetzt nämlich erlebe ich eine Stimmwiedergabe, die direkt, offen und absolut authentisch und mit ihrem ganzen Körper reproduziert wird. Eine Stimme, dessen Charakter vollständig zur Entfaltung kommt und die mit den fast zeitgleich einsteigenden Instrumenten wie Keyboard, Schlagzeug und Gitarren einen akustisch perfekten Verbund darstellt, der unseren Hörraum füllt. Eine Performance, die mir schnell eine weitere Stärke der Klipsch gewahr werden lässt: ihre hervorragende Raumdarstellung! Ein Punkt, der mir schon bei der Einrichtung auffiel, dessen voller Umfang in diesem Song aber erst so richtig zur Geltung zu kommen scheint. Die Erklärung folgt auf dem Fusse, denn neben aller Präsenz beweist sich die R-28F nun auch als Timingspezialist. Nicht anders sind die flotten und zeitrichtigen Rhythmuswechsel und die perfekt durchorganisierte Bühnendarstellung zu erklären die – trotz noch immer hohen Pegels – jedem einzeln Instrument einen festen Platz auf der imaginären Bühne geben. Ein Attribut, für das Horn-Lautsprecher ja eigentlich eher nicht berühmt sind und das mich gerade deshalb umso mehr beeindruckt.

Mit einem Volumen von rund 100 Litern setzt die R-28F auch optische Akzente, wirkt aber nicht überdimensioniert.
Fazit
Wäre die R-28F ein Mensch, wäre sie ein Kerl wie ein Baum. Wäre sie ein Bier, wäre sie frisch und herb. Wäre sie ein Auto, wäre sie eindeutig ein Muscle-Car. Kurz gesagt: wer auf der Suche nach einer filigranen Box für die Wiedergabe seichter, feingeistiger Musik ist, der wird mit der Klipsch wohl eher nicht glücklich. Wer aber einen Lautsprecher sucht, der rockig, dynamisch sowie voller Elan und Agilität zupackt, der einfach Spass macht und dem selbst in höchsten Pegellagen nicht die Luft ausgeht, der ist bei der R-28F absolut an der richtigen Adresse.
Test & Text: Roman Maier
Fotos: www.lite-magazin.de, Herstellerbilder