Home » Rezensionen » Einmal Hans mit scharfer Soße – Kultur-Konflikt mit viel Humor
24. November 2014von Martin Sowa
RedakteurFür Hatice Coscun ist das Leben völlig in Ordnung. Doch als ihre jüngere Schwester Fatma gesteht, dass sie schwanger ist und heiraten möchte, muss zunächst Hatice gemäß anatolischer Tradition einen Ehemann finden…
Hatice (Idil Üner) arbeitet als Journalistin in Hamburg und hat sich von ihrer türkischen Herkunft weitgehend gelöst. Ihre Familie lebt in Salzgitter und sieht die Sache mit den anatolischen Traditionen allerdings ganz anders. Ihrem Vater Ismail (Adnan Maral) ist es darum auch ziemlich peinlich, dass seine älteste Tochter mit ihren 34 Jahren immer noch keinen Ehemann gefunden hat. Zumal die Tradition bestimmt, dass die jüngere Schwester Fatma (Sesede Terziyan) erst nach Hatice heiraten darf – dabei hat sie schon längst den richtigen Mann gefunden. Dummerweise ist sie auch schwanger und ein uneheliches Kind würde die Situation nur noch schlimmer machen. Also muss Hatice schnell einen Mann finden, um Fatma ebenfalls die Hochzeit zu ermöglichen.
Doch obwohl Hatice nichts von türkischer Tradition hält, sind ihr andere Werte umso wichtiger. Die Anforderungen an ihren Traummann sind extrem hoch – und vor allem soll es kein Türke sein. Ein bisschen türkische Leidenschaft sollte dennoch in ihm brennen. Aber wie findet man so einen „Hans mit scharfer Soße“ und vor allem wie findet man ihn schnell?
Hatice ist zwar Türkin, allerdings mit deutschem Pass und sie hält nicht viel von den kulturellen Traditionen. Das macht das Leben für sie aber nicht einfacher, denn so ziemlich alle älteren Menschen türkischer Herkunft sehen sich wesentlich stärker ihrer ursprünglichen Herkunft verpflichtet – praktisch jedes Klischee der beiden Kulturen wird also mit einem Augenzwinkern wieder aus der Schublade geholt. Das beschränkt sich aber nicht nur auf die Unterschiede der türkischen und deutschen Kultur – Hatice selbst erfüllt mit über 100 Paar Schuhen auch gleich das interkulturelle Frauenklischee. Und natürlich ist ihr bester Freund Gero (Max von Thun) schwul.
Allerdings gibt es seinen Gegenpart auch auf türkischer Seite und sogar Hatices Vater rückt in einigen Punkten von der Tradition ab – sein Garten mit Grill ist ihm heilig und er mag es nicht, wenn der Nachbarhund das Gartentor im Jägerzaun aufdrückt. Ihre Mutter Emine (Şiir Eloğlu) ist ebenfalls nicht völlig der Tradition verpflichtet – eben mit Ausnahme der Hochzeitssache. Und weil alle Familienmitglieder glauben, all ihre Probleme wären gelöst, wenn Hatice heiratet, setzen sie die Tochter stark unter Druck. Den kann allerdings auch Hatice ausüben und fordert dabei immer wieder zu viel von ihren Lebensgefährten, was diese natürlich erst einmal abschreckt und letztendlich alles nur noch komplizierter macht… Glücklicherweise kann sich Hatice sowohl auf ihre türkische Familie als auch ihre deutschen Freunde Gero und Julia (Julia Dietze) verlassen, die im Zweifelsfall doch noch eine Lösung auf Lager haben.
Hatices Konflikt zwischen ihren türkischen Wurzeln und dem deutschen Alltag bringt Idil Üner sehr glaubhaft rüber und erweckt dabei den Eindruck, dass sie nicht nur eine Rolle spielt. Tatsächlich beschreibt sie im Bonusmaterial selbst, wie sie ihre eigenen Erfahrungen eingebracht hat und inwiefern Hatices Problemchen auch ihr bekannt sind. Dass sich Buchautorin Hatice Akyün in Üners Darstellung „perfekt“ wiederfindet und darüber im Eigenlob versinkt, überrascht jedoch – sie erklärt zum Beispiel lang und breit ihren für sie wichtigen Schuhtick, der im Film aber eine sehr untergeordnete, subtile Rolle spielt – denn Idil Üners Darstellung wirkt doch ganz anders als die reale Hatice im Interview.
Für die anderen Figuren der Familie Coscun ist das Leben – abgesehen von einer wirklich ernsten Szene – relativ simpel und die Darstellung ihrer Charaktere weitgehend übertrieben. Das passt natürlich hervorragend zu den ohnehin überzeichneten Klischees und lässt trotz der Konflikte jede Menge Raum für Humor. Vor allem Adnan Maral, der bereits in „Türkisch für Anfänger“ in ähnlicher Thematik überzeugen konnte, beweist in den Dialogen mit Idil Üner, dass beide auch in punkto Drama eine Menge Potenzial haben und so tatsächlich trotz der eigentlich schlichten und vorhersehbaren Handlung Spannung aufbauen können.
Maral ist allerdings als Hatices Vater kaum wiederzuerkennen – hier haben die Mitarbeiter aus der Maske überragende Arbeit geleistet. Schwer zu glauben, dass Maral in Wirklichkeit nur drei Jahre älter ist als seine Filmtochter Idil Üner…
In Sachen Bild und Ton ist die Anforderung relativ gering und dementsprechend gibt es daran nichts auszusetzen. Das Bonusmaterial gibt mit ein paar Outtakes und zwei Episoden eines „türkisch-deutschen Kulturdialogs“ einen guten Einblick in den Spaß, den Darsteller und Team beim Dreh gehabt haben und dass eben alles nicht ganz so ernst zu nehmen ist. Sehr schön ist der kurze Ausflug in die per CGI eingebauten anatolischen Dorfbewohner, die Hatice immer wieder mit den traditionellen Werten konfrontieren. Am interessantesten sind allerdings die Interview mit den Darstellern, die nicht nur ihre Rollen beziehungsweise deren Sicht auf die Dinge erklären. Vor allem zeigen sie, wie unterschiedlich sich manche Darsteller von den gespielten Figuren unterscheiden – insbesondere bei Şiir Eloğlu ist diese Differenz enorm und zeigt, dass nicht nur Oscar-nominierte Dramen mit guten Schauspielern besetzt sind.
Fazit
Wie viele andere Filme und Serien lebt auch Einmal Hans mit scharfer Soße von dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen, geht allerdings auch im Laufe der Handlung darüber hinaus. Dadurch wandert der Fokus vom oberflächlichen Vergleich hin zu einer davon losgelösten, eigenständigen Handlung, die von den größtenteils sehr guten Darstellern überzeugend erzählt wird. Vor allem Idil Üner und Adnan Maral wissen als Tochter-Vater-Duo den Film zu tragen.
„Einmal Hans mit scharfer Soße“ ist auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von EuroVideo Medien GmbH erschienen.
Genre
Komödie
Laufzeit
ca. 91 Minuten
Altersfreigabe
ab 6 Jahren
Regie
Buket Alakus
Cast
Idil Üner, Adnan Maral, Siir Eloglu, Demet Gül, Julia Dietze, Max von Thun, Steffen Groth