Home » Rezensionen » The Homesman – Die dunkle Seite des amerikanischen Traums
27. April 2015
von Sascha Rettenberger
Redakteur
Marie Bee Cuddy, eine ledige einsame Farmersfrau, wagt sich auf einen gefährlichen Trip, um drei Frauen, die in der Ödnis von Nebraska ihren Verstand verloren haben, zurück in die Zivilisation nach Iowa zu bringen. In Iowa sollen sie in die Obhut einer Methodistengemeinde gebracht werden, um das brutale Schicksal ihrer Seelen zu lindern. Begleitet wird Marie Bee Cuddy von dem Gauner George Briggs, der ihr sein Leben verdankt. Auf ihrer schier endlosen Reise müssen die drei hilflosen Frauen und ihre zwei Begleiter den Gefahren der Prärie trotzen.

In beeindruckenden Bildern schildert „The Homesman“ das harte Leben im Wilden Westen. (© Dawn Jones/Universum Film)
Nebraska im 19. Jahrhundert. Für viele Menschen wird der amerikanische Traum in den Weiten des Wilden Westens zu einem unerbittlichen Kampf gegen die Natur und die Einsamkeit. Insbesondere für die Siedlerfrauen der Pioniere entwickelt sich der Traum immer mehr zu einem Albtraum. Ein Schicksalsschlag nach dem anderen lässt die drei Frauen Arabella (Grace Gummer), Theoline (Miranda Otto) und Gro (Sonja Richter) vollends den Verstand verlieren. Ihre Männer, die sie mieser behandeln als das Rindvieh, scheren sich einen Dreck darum.
Als Reverend Dowd (John Lithgow) von den Frauen erfährt, wird er aktiv und möchte sie nach Iowa in eine Methodistengemeinde bringen lassen, wo man sich um sie kümmern kann. Als Einzige in der Gemeinde erklärt sich Marie Bee Cuddy (Hilary Swank) bereit, den Treck anzutreten. Bei den Reisevorbereitungen trifft sie auf den verschlossenen Schmalspurgauner George Briggs (Tommy Lee Jones), den sie buchstäblich in letzter Sekunde vor dem Galgen rettet. Gegen Geld nimmt sie ihm das Versprechen ab, sie und die drei Frauen auf der Reise zu begleiten und zu beschützen. Gemeinsam lenken sie die Kutsche durch den Wilden Westen, in dem so manche Gefahr auf die Reisenden lauert. Sie trotzen Stürmen, begegnen furchtvollen Indianern und müssen sich auch vor anderen Reisenden in Acht nehmen. Je länger sie unterwegs sind, umso mehr wächst die Truppe zusammen und alle merken, dass sie trotz ihrer völlig unterschiedlichen Wesen aufeinander angewiesen sind. Bis eines Tages Marie Bee Cuddy George Biggs eine folgenschwere Frage stellt.
Tommy Lee Jones („Men in Black“, „No Country for old Men“) führte bei diesem Film die Regie. Produziert wurde The Homesman von Luc Besson („Leon – Der Profi“, „ Das fünfte Element“). In diesem kraftvollen Neowestern schafft Jones es, eine packende und traurige Geschichte in Bildern mit karger Schönheit und einer düsteren, hoffnungslosen Stimmung zu erzählen. Die eindringliche Geschichte, die auf dem gleichnamigen Roman von Glendon Swarthout („Der letzte Scharfschütze“) aus dem Jahr 1988 basiert, ist kein Zuckerschlecken und zeigt die dunklen Seiten des amerikanischen Traums. The Homesman zeigt, wie hart und gnadenlos das Leben in den Weiten von Nebraska war. Der Film versprüht keine Wildwestromantik, sondern gibt Einblicke in den brutalen Alltag der Pioniere im 19 Jahrhundert.

Als drei Frauen in ihrer Stadt den Verstand verlieren, bringt Mary sie mit dem Outlaw Briggs (Tommy Lee Jones) in eine Methodistengemeinde. (© Dawn Jones/Universum Film)
Tommy Lee Jones hat für diesen Film ein starkes Ensemble zusammengetrommelt. Neben vielen bekannten Schauspielern ragt Hilary Swank heraus („Million Dollar Baby“, „P.S.: Ich liebe Dich“). Sie verkörpert die starke und toughe Mary Bee Cuddy mit Bravour. Ihr Können, eine starke Kämpfernatur mit Durchsetzungsvermögen darzustellen, bewies sie bereits in dem Film „Million Dollar Baby“ von Clint Eastwood. In vielen Western sind immer die Männer die Helden, doch in The Homesman ist es definitiv Hilary Swank als Mary Bee Cuddy. Aber auch von den anderen Darstellern verlangt Tommy Lee Jones herausragende Leistungen ab und auch sein schauspielerisches Können wird hier wieder einmal bestätigt. The Homesman zeigt einen Western, der ohne Filter oder Stilmittel ein wunderschönes und scharfes Bild liefert (2,35:1 ; 1080p/24). Die tollen Landschaftsaufnahmen sind trotz der Kargheit und Einsamkeit sehr beeindruckend. Auch die Nahaufnahmen während der Dialoge sind sehr detailliert und klar. Der Ton hat ebenfalls viel zu bieten. Er liegt im deutschen und englischen DTS-HD 5.1-Master-Audio-Format vor. Getestet wurde der deutsche Ton. Trotz der relativ ruhigen Erzählweise wird der Zuschauer mitten ins Geschehen versetzt. Allein die Umgebungsgeräusche bauen eine tolle Kulisse auf. Untermalt wird das Ganze noch von einer zur Stimmung passenden Filmmusik. An Extras hat die Blu-ray zwei interessante Featurettes und ein gutes Making-Of zu bieten. Neben einer Trailershow ist noch ein Beitrag vorhanden, der die Präsentation des Films beim Filmfest 2014 in Cannes zeigt.

Auf dem Weg durch den Wilden Westen lauern allerdings jede Menge Gefahren. (© Dawn Jones/Universum Film)
Fazit
Als ich den Film in der Hand hielt, dachte ich zuerst an einen Western à la „True Grit“ oder „Erbarmungslos“, doch nach kurzer Zeit habe ich meine anfängliche Einschätzung über den Haufen geworfen. The Homesman hat mich von der ersten Minute an gefesselt und mich immer wieder in einen Schockzustand versetzt. Allein die Schicksale der drei Pioniersfrauen waren so hart und brutal, dass mir ein Schauer über den Rücken lief und mir sofort ohne große Verschönerungen der Alltag im Wilden Westen des 19. Jahrhunderts näher gebracht wurde. Die Geschichte ist trotz der ruhigen Erzählweise sehr spannend und nichts für schwache Gemüter. Wer hier einen klassischen Wild West-Film erwartet, wird enttäuscht sein. Vielmehr handelt es sich um ein grandioses Drama, bei dem man mehr als einmal eine Gänsehaut verspürt. Ich kann diesen Film absolut weiterempfehlen, auch wenn er einen eher traurig stimmt und deprimiert. Aber die Geschichte, die hinter The Homesman steckt, ist es absolut wert, sich die 123 Minuten zu Gemüte zu führen.
„The Homesman“ ist als DVD und Blu-ray im Vertrieb von Universum Film erhältlich.
Genre
Drama/Western
Laufzeit
ca. 123 Minuten
Altersfreigabe
ab 16 Jahren
Regie
Tommy Lee Jones
Cast
Tommy Lee Jones, Hillary Swank, Meryl Streep, Hailee Steinfeld, Grace Gummer, Miranda Otto, John Lithgow, James Spader, Sonja Richter
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