Home » Rezensionen » Dessau Dancers – Kurzweilige Breakdance-Zeitreise in die Ostalgie
29. Oktober 2015von Andreas Hohn
RedakteurAus dem amerikanischen Breakdance wird in der sozialistischen DDR der akrobatische Schautanz. Die „Break Beaters“ werden als FDJ-Vorzeigetruppe durchs Land geschickt und bald wie Rockstars gefeiert. Doch mit der Zeit merkt die Gruppe, wie hoch der Preis für den Ruhm sein kann.
Dessau Dancers spielt im Spätsommer 1985 in Dessau in der ehemaligen DDR. Frank Satzke (Gordon Kämmerer) lebt mit seinem Vater Walter (Arved Birnbaum) in einer Plattenbauwohnung. Wenn es nach ihm ginge, sollte Frank die streng sozialistischen Regeln einhalten und sich das Studium als Lebensziel setzen. Doch eines Nachmittages sieht Frank zufällig die Fernsehshow „Na Sowas“ mit Thomas Gottschalk im Westfernsehen und wird von der dort vorgestellten neuen Tanzart „Breakdance“ begeistert. Als er sich mit seinem besten Kumpel Alex (Oliver Konietzny) den US-amerikanischen Film „Beatstreet“ im Kino ansieht, entfacht es in beiden die Leidenschaft für den Hip Hop und sie bilden zusammen mit ihrem Freund Michel (Sebastian Jäger) und der Kadersportlerin Martina „Matti“ (Sonja Gerhardt) die „Break Beaters“. Zusammen batteln sie sich zu westlichen Rhythmen auf der Straße.
Dies ist der Staatsmacht immer mehr ein Dorn im Auge, da sie gerne die Kontrolle über die Freizeitaktivitäten ihrer Jugend behält. Dies gelingt der Stasi, indem sie die Gruppe offiziell zu Künstlern macht und aus dem amerikanischen „Breakdance“ der sozialistische „akrobatische Schautanz“ wird. Um die Crew von der Straße wegzuholen, bekommt der Kadertrainer Hartmann Dietz (Rainer Bock) den Auftrag, die Jugendlichen unter Aufsicht zu trainieren und den Leiter der Kommission für Unterhaltungskunst Meinhardt (Wolfgang Stumph) davon zu überzeugen, den Schautanz in der Republik populär zu machen. Mit der Zeit nimmt die Stasi aber immer mehr Einfluss auf die Freiheitstänzer und es treten vermehrt zwischenmenschliche Probleme auf, die die Frage aufwerfen, wie lang die Gruppe noch zusammenhalten kann.
Dessau Dancers ist der aktuelle Film vom Kölner Regisseur Jan-Martin Scharf, der in der Vergangenheit durch seine Drehbücher für „Der letzte Bulle“ oder „Wilsberg“ Bekanntheit errungen hat. Leider beinhaltet der Trailer schon die besten Szenen des Films. Die verschiedenen Charaktere bleiben blass und oberflächlich und der Film schwankt zwischen Komödie und Tanzmusical. Wer Tanzszenen wie im amerikanischen Vorbild „Step up“ oder „Stomp the Yard“ erwartet, wird leider enttäuscht. Und als überflüssiges Muss hat man noch eine Dreiecks-Liebesgeschichte zwischen Matti, Frank und seinem besten Kumpel Alex eingebaut, die am Rande daher dümpelt und keinen wirklichen Herzschmerz aufkommen lässt. Immerhin: Wolfgang Stumph und Rainer Bock überzeugen in Ansätzen in ihren Rollen als Kommissionsleiter und Kadertrainer.
Die Dialoge wirken oft hölzern und die Emotionen kommen sehr gekünstelt herüber. Als Drehort wurde anscheinend auch nur ein altes Fabrikgelände genutzt, was die Szenen sehr eintönig macht. Die Musik ist den 80ern angepasst, aber spätestens nach der dritten Tanzeinlage beginnt der C64er-Sound an den Nerven zu reiben. Der Dolby-5.1-Ton der DVD holt dort leider auch keine Extrapunkte mehr heraus. Die Tanzmoves gehören bei Breakdance-Fans eher zum Standardrepertoire und können in der heutigen Zeit wenig neue Anhänger vom Hip Hop überzeugen. Dies schafft leider auch nicht Sebastian Jäger, der zur Ausnahmegruppe „Flying Steps“ gehört und hier nur eine schwache schauspielerische Leistung abliefern kann.
Geschichtlich zeigt Dessau Dancers, wie die sozialistische Partei und Kulturführung den Breakdance versuchen zu vereinnahmen und wie hinterlistig Bespitzelung und Manipulation eingesetzt wurden. Die Requisiten und Sets lassen das Ostalgie-Gefühl etwas aufkeimen und werden von der leichten Sepiaoptik in der Bilddarstellung unterstützt. Bei der leichten Blässe der Kulissen wie auf einer alten Sofortbildkamera kommen die grellbunten Joggingoutfits der Breaker kontrastreich zur Geltung.
Die ganze Geschichte von Dessau Dancers ist aber leider vorhersehbar und ohne wirklichen Tiefgang inszeniert. Um als „Dirty Dancing“ des Ostens zu gelten, fehlt die intensivere Liebesgeschichte und um als sozialistisches „Step Up“ zu gelten, fehlen die atemberaubenden Breakdancemoves. Somit bleibt der Streifen auf der Suche nach seiner Zielgruppe hängen. Die Extras der DVD lassen auch, wie der Film, noch viele Wünsche offen. Es sind lediglich Filmtrailer beigefügt. Wünschenswert wären ein Making-Of für die Tanzszenen gewesen und die ebenfalls fehlenden, allseits beliebten Outtakes hätten mit sächsischem Dialekt noch ein paar Humorpunkte herausholen können.
Fazit
Dessau Dancers nimmt einen mit auf eine kurzweilige Zeitreise in die Ostalgie, ist aber lediglich ein Mix aus schwachem Tanzfilm und luftig-leichter DDR-Komödie. Wer vor dem Film noch kein Breakdance-Fan war, wird danach wohl auch keiner werden.
„Dessau Dancers“ ist ab dem 30. Oktober 2015 im Vertrieb von Universum Film erhältlich.
Genre
Komödie
Laufzeit
ca. 87 Minuten
Regie
Jan-Martin Scharf
Cast
Gordon Kämmerer, Sonja Gerhardt, Oliver Konietzny, Wolfgang Stumph
45 of 100
60 of 100
60 of 100
55 of 100
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