Home » Tests » Feinste Kabelkunst aus Yokohama – Besuch bei AIM in Japan
9. Oktober 2025
von Roman Maier
Inhaber/GeschäftsführerWer glaubt, Kabel seien bloß einfache Signalübertrager, der sollte einen Blick nach Japan werfen – genauer gesagt nach Yokohama. Dort fertigt AIM industrielle Verbindungen auf höchstem Niveau und seit Jahren auch audiophile USB-, HDMI- und LAN-Kabel, die weltweit für Aufsehen sorgen. Wir haben die Gelegenheit genutzt und AIM vor Ort besucht – inklusive Werkstour, Produktvorführung und einem sehr persönlichen Gespräch mit AIM-Präsident Eishi Nakayama.

In Yokohama stellte uns AIM sein aktuelles Produktportfolio vor und ließ uns hinter die Kulissen schauen.
Vom Industriegiganten zum High-End-Geheimtipp
AIM wurde 1983 gegründet – in einer Zeit, als serielle Schnittstellen, Druckeranschlüsse und Videosignalkabel den Industriemarkt dominierten. Der Fokus lag zunächst ganz klar auf funktionaler Zuverlässigkeit und Präzision. Diese DNA zieht sich bis heute durch das gesamte Unternehmen. Mit wachsender Expertise und dem Aufbau eines beachtlichen Kundenstamms – unter anderem im Bereich Großinfrastruktur wie dem Kansai International Airport in Osaka oder den Universal Studios Japan – wuchs auch das Vertrauen in AIMs technische Exzellenz. Dass ein solcher Hersteller sich nun seit einigen Jahren dem High-End-Audiobereich widmet, überrascht vielleicht – ist aber im Rückblick fast logisch. Wer auf Industrieniveau arbeitet, sollte in puncto Signalreinheit und Fertigungsqualität auch in der HiFi-Welt Maßstäbe setzen.

Vor der Auslieferung wird jedes Audio-Produkt bei AIM nochmal auf Funktion geprüft und gemessen. Nur wenn es die eng gesteckten Toleranzwerte einhält, geht es auf den Weg zum Kunden.
Maßarbeit in Perfektion – und zwar von Hand
Bei unserem Besuch in Yokohama durften wir selbst erleben, mit wie viel handwerklicher Präzision und Hingabe AIM seine Audio-Produkte fertigt. Die Produktionsräume sind durchorganisiert, zugleich angenehm ruhig. Die Fertigung der Audio-Produkte erfolgt nicht in riesigen Produktionshallen, sondern in kleinen, gemütlichen Räumlichkeiten. Fast schon meditativ wirkt die Atmosphäre, in der erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier Kabeladern zuschneiden, Schirmungen verlöten und Steckverbinder millimetergenau konfektionieren. Alles in Handarbeit. Kein Prozessschritt wird dem Zufall überlassen: Jedes einzelne Kabel wird vor und nach der Konfektionierung durch ein intensives Test- und Selektionsverfahren geschickt. Hierbei geht es nicht nur um reine Funktionalität, sondern um Stabilität, Genauigkeit der Übertragung und minimalste Toleranzen. So sichert AIM eine gleichbleibend hohe Qualität – bei einer beachtlich niedrigen Fehlerquote.

Ernst gemeint: An diversen Arbeitsplätzen wird tatsächlich jedes einzelne Kabel geprüft.
NA9 – AIMs audiophiles Meisterstück
Besondere Aufmerksamkeit verdient das LAN-Kabel NA9, das unter der Leitung von Entwickler Naoto Nakanishi entstand. Seit 2020 verantwortet Nakanishi die Entwicklung hochwertiger Netzwerkverbindungen im Audiobereich – und das NA9 ist sein bisheriges Meisterwerk. Auffällig ist nicht nur die massive Anmutung des Kabels, sondern vor allem die technischen Raffinessen im Inneren. AIM setzt dort auf ein mehrstufiges, sich überlappendes Schirmungskonzept, das äußere Störungen effektiv minimiert. Hinzu kommt ein gezielter Materialmix, der so gewählt wurde, dass jeder Frequenzbereich optimal transportiert wird – ein Ansatz, der eher aus der Analogtechnik bekannt ist. Die verwendeten Telegärtner-Steckverbinder runden das Paket ab und sorgen für maximale Kontaktstabilität. Im Hörtest überzeugt das NA9 durch eine verblüffende Klarheit, eine exakte Bühnenabbildung und himmlische Ruhe im Signalfluss – Eigenschaften, die man digitalen LAN-Kabeln in dieser Form eher selten zutraut.

Vor Ort durften wir uns auch ein Bild von den klanglichen Eigenschaften der AIM-Audio-Kabel machen, beispielsweise auch vom Top-End-Netzwerkkabel NA9.
Klangliche Offenbarung: Die nächste Generation steht bereit
Doch AIM ruht sich auf dem Erfolg des NA9 keineswegs aus. Mitte 2025 stellte der japanische Hersteller mit seinem NA4 ein neues Highlight vor, das wir kürzlich bereits im Test hatten. Ende des Jahres folgt dann das neue Flaggschiff-Modell: Das Top-End-Kabel NA X. Schon bei der ersten Hörsession während unseres Besuchs wurde deutlich, dass sich hier erneut klanglich Außergewöhnliches anbahnt. Das NA4 wirkte im direkten Vergleich noch einen Hauch offener und impulstreuer, während das NA X mit einer fast schon organischen Klangfülle überraschte. Beide Modelle zeigten Charakter – und zwar im positiven Sinn: detailliert, strukturiert und tonal ausbalanciert. Die Unterschiede waren hörbar, aber nie aufdringlich. Genau diese subtile Präzision ist es, die AIMs Produkte von typischer Serienware unterscheidet. Nach der offiziellen Markteinführung werden wir das NA X (auch NA 10 genannt) dann auch noch einmal ausführlich und unter kontrollierten Bedingungen in unseren Hörräumen testen.

Mit seiner dreilagigen Schirmung minimiert das NA4-Ethernetkabel die Beeinflussung von Außen. Die Kreuzstruktur im Innern sorgt dann für eine gute Trennung der Twistet Pair Leiter untereinander.
Ein Präsident mit einer besonderen Geschichte
Ein weiteres Highlight unseres Besuchs war das persönliche Gespräch mit Eishi Nakayama, dem heutigen Präsidenten von AIM. Seine Geschichte ist ein kleines Stück japanische Wirtschaftskultur: In den späten 1980er Jahren jobbte Nakayama in den Ferien bei AIM – damals noch als Aushilfe in der Fertigung. Mit dem Lohn finanzierte er sich seinen ersten Yamaha-Vollverstärker – der Beginn einer lebenslangen Leidenschaft für Musik und Technik. Heute, viele Jahre später, besitzt er diesen Verstärker noch immer. Und er steht an der Spitze des Unternehmens und führt es mit ruhiger Hand und strategischem Weitblick. Seine Vision: AIM als Brücke zwischen industrieller Perfektion und audiophiler Sensibilität zu positionieren. Der Erfolg gibt ihm recht. Der Vertrieb in Deutschland wird übrigens von der IAD GmbH übernommen, die sich gleichfalls durch hohe Fachkompetenz und ein exzellentes Gespür für Trends und Kundenwünsche im Audio-Bereich auszeichnet.

AIM-Präsident Eishi Nakayama nahm sich die Zeit uns Details über AIM zu erklären und durch sein Unternehmen zu führen.
Präzision als oberstes Gebot – auch für Individualisten
So beeindruckend AIMs Serienfertigung ist – mindestens genauso faszinierend ist die Fähigkeit, auch kundenspezifische Sonderanfertigungen zu realisieren. Was bei vielen Herstellern nur als nette Marketingaussage dient, ist bei AIM gelebte Praxis. Die gesammelten Erfahrungen aus Spezialaufträgen – etwa für Tonstudios, Medizintechnik oder Veranstaltungszentren – fließen in die Entwicklung der Audio-Produkte ein und heben sie damit auf ein völlig neues Niveau. Dabei gilt stets ein übergeordnetes Ziel: Signale sollen so unverfälscht und präzise wie möglich übertragen werden. Alles andere – Materialästhetik, Kosten, sogar Produktionszeit – wird diesem Anspruch untergeordnet. Genau dieser kompromisslose Fokus ist es, der AIM zu einem der spannendsten Kabelhersteller weltweit macht. Und ganz nebenbei sorgt er dafür, dass AIM heute in der Lage ist, mehr als 24.000 verschiedene Kabelvarianten zu fertigen.

Ein Blick in die Verwaltung: Von hier wird die Marke AIM gesteuert.
Interview mit Eishi Nakayama
Herr Nakayama, seit einigen Jahren sind Sie Präsident bei AIM. Wie kam es dazu?
„Einst war mein Vater AIM-Präsident. Mein Startpunkt war mein erster Yamaha-Verstärker – bezahlt mit einem Ferienjob bei AIM. Mein Vater hätte mir das Geld dafür einfach geben können. Er wollte aber, dass ich dafür arbeite, um den Wert der Arbeit und den des Produktes zu schätzen. So kam es, dass ich mehrere Wochen in der Firma arbeitete und Erfahrungen in den verschiedenen Abteilungen sammeln konnte. Den erarbeiteten Yamaha-Amp besitze ich noch immer. Und dass ich heute dieses Unternehmen führen darf, ist für mich eine große Ehre.“
Mit wie vielen Leuten begann die Firma einst und wieviele Mitarbeiter hat AIM heute?
„Es begann mit 14 Mitarbeitern. Heute sind etwa 75 Menschen in der Entwicklung, Verwaltung und Fertigung beschäftigt.“
Wie lässt sich die Make AIM beschreiben und was macht sie aus?
„Als zuverlässiger und erfahrener Partner, der immer nach der perfekten Lösung für die benötigte Anwendung sucht. Die höchste Präzision in der Übermittlung von Daten ist unser erstes Ziel.“

Die Devise von Eishi Nakayama ist einfach: „Jedes Kabel, das wir ausliefern, muss perfekt sein“.
Wie lange dauert es generell von der ersten Idee bis zum verkaufsfähigen Produkt bei AIM?
„Mindestens zwei Jahre. Bis alle Vorgaben stehen und der erste Prototyp fertig ist, dauert es schon drei Monate. Anschließend finden dann immer wieder Veränderungen in Sachen Material und Verarbeitung statt, bis das endgültige Produkt steht.“
Was sind die größten Herausforderungen bei der Entwicklung neuer Produkte?
Die größte Herausforderung ist immer der eigene hohe Anspruch. Unser Anspruch ist einfach formuliert: Jedes Kabel, das wir ausliefern, muss perfekt sein. Kein Kompromiss, kein Zufall, keine Ausrede.“
Wie sieht so ein Entwicklungsplan aus?
„Wir denken nicht in Serien, sondern in Lösungen. Wer bei AIM bestellt, bekommt nicht einfach ein Kabel – sondern ein Stück funktionale Präzision auf Referenzniveau.“
Wir haben gehört, dass AIM auch Kabel auf Kundenwunsch fertigt – sogar Einzelstücke wären möglich. Ist das korrekt?
„Ja, das stimmt. Wir sehen die Suche nach Lösungen als Herausforderung. Auch als Herausforderung an uns selbst. Und ganz nebenbei bietet uns das neue Möglichkeiten mal über den Tellerrand zu schauen und neue Anforderungen kennen zu lernen.“

Für seine hochwertigen Netzwerkkabel setzt AIM auf solide Telegärtner-Steckverbindungen: Die soliden Stecker sind gegen elektromagnetische Einstrahlung geschirmt. Die Rastnase lässt sich dank des großen Clips zuverlässig entriegeln.
Ist noch feststellbar, welches das erste AIM-Produkt war und welche Produkte, neben Kabeln, hat AIM in Laufe der Jahre noch hergestellt?
„Das erste richtige Produkt im Audio/Video-Bereich war ein 30 Meter langes HDMI-Kabel, was zum damaligen Zeitpunkt eine enorme Herausforderung darstellte. Heute wird unser Ultra High Speed-Flaggschiff-HDMI-Kabel LS3 für Industriekunden beispielsweise in Längen von bis zu 100 Metern produziert. Neben Kabeln waren bzw. sind wir aber auch Hersteller von Transceivern und SFB-Modulen. Inzwischen exportieren wir unsere Produkte in 15 Länder weltweit.“
Wo werden die Audio-Produkte von AIM hergestellt, beispielsweise das neue NAX?
„Jedes einzelne Audio-Produkt von AIM wird in Japan in Handarbeit hergestellt. Anschließend wird jedes Kabel hier bei uns einzeln geprüft und auch in der Nähe gelagert, bis es an den Kunden geliefert wird.“
Manche Hersteller haben eine Klangsignatur, andere präferieren den möglichst neutralen Sound. Wie ist das bei AIM?
„Wir sehen unsere Aufgabe nicht darin, Klang zu färben, sondern ihn unverfälscht zu transportieren – so direkt wie möglich vom Quellgerät zum Ohr.“
Fotos & Text: Roman Maier