Home » Tests » Genelec 6040R – Alles im Sinne der Musik
12. August 2022von Philipp Schneckenburger
ChefredakteurDie Aktivlautsprecher Genelec 6040R vereinen professionelle Ansprüche an die Musikwiedergabe mit dem Designanspruch des Heimgebrauchs. Dabei überlässt die finnische Firma nichts dem Zufall und bietet konsequente Präzision. Wir haben uns die Synthese aus Looks und Sound im Praxistest vorgenommen.
Wenn man sich in den High End Audio Bereich umschaut, gibt es zwei Arten von Hörern. Das bezieht sich allerdings nicht auf die Art der favorisierten Musikgenres. Viel mehr kann man Besitzer hochwertiger Setups in solche unterscheiden, die ihre bevorzugte Musik hören wollen und die, die schlicht auf den Genuss des Klanges ihrer speziellen Anlage aus sind. Etwas anders ausgedrückt: Sollen Quelle, Verstärker und Lautsprecher möglichst neutral und genau arbeiten, oder sollen sie ihre eigenen Charakteristika zum Ausdruck bringen? Eine Frage an der sich die Geister scheiden, denn bei beiden Möglichkeiten handelt es sich um legitime Ansprüche. Die finnische Firma Genelec bedient eindeutig die Verfechter akkurat reproduzierter Aufnahmen. Das verwundert nicht weiter, denn der Hersteller ist besonders im Studiosektor aktiv. Mit den neuen Aktivlautsprechern 6040R möchte man auch HiFi-Enthusiasten ein elegantes Werkzeug an die Hand geben, um die Qualitäten ihrer Bibliothek voll und ganz auszuschöpfen.
Schockmoment
Links, in einiger Entfernung, zerschellt ein gläsernes Objekt. Wenige Sekunden später zerspringt auf der rechten Seite ein weiteres Glas, aber näher und lauter. Dann noch eines im Zentrum, während im Hintergrund ein stetiges, bedrohliches Dröhnen anschwillt. Als dieses langsam seinen Höhepunkt erreicht schallt ein mächtiges Scheppern durch den Hörraum. Kurz darauf folgen vier plötzliche, kräftige Treffer von Drumsticks auf ein Schlagzeug und das Schwingen einer Basssaite, das sich anfühlt, als würde man von einem schweren Gegenstand an der Brust getroffen werden. Voll, körperhaft und weit unten aus dem Frequenzbereich schöpfend, werfen die 6040R den Bass bei „Keep Your Eyes Peeled“ der Queens Of The Stone Age in den Raum. Der Einsatz des Instruments kommt unvermittelt und trifft sein Ziel mit Macht. Danach schwingt die Saite bewusst lange ab, bevor das Spiel von neuem beginnt. Dynamisch, kraftstrotzend und dennoch mit Feingefühl und Kontrolle gehen die Genelecs zu Werke.
Ja nichts auslassen
Auch die Percussions wirken wunderbar straff. Treffen Felle und Stöcke aufeinander, wird der Zusammenstoß punktgenau und sehr energetisch übertragen. Das direkte Spiel macht Laune. Es ist weniger die Reproduktion einer Aufnahme, als das direkte Erleben von Musik. Der Eindruck eine Anlage zu hören weicht einem scheinbar unmittelbaren Kontakt von Hörer und Gehörtem. Als die wuchtige Bassline in der Bridge kurzzeitig aussetzt, fühlt es sich beinahe so an, als könnte man beim Auftauchen aus dem Wasser endlich einen Moment Luft holen, bevor einem der erneut einsetzende Tiefton den Atem wieder aus der Lunge presst. Abseits der puren Energie, die von den Lautsprechern an den Tag gelegt wird, überrascht dabei auch die Detaildarstellung. Hier werden Obertöne und Feinheiten ans Tageslicht befördert, die oft im Rockgetümmel untergehen. Durch die Frequenzbereiche hinweg wird von den finnischen Lautsprechern nichts ausgelassen. Wenn es im Signal steckt, soll man es auch hören.
Schlanke Linie
Die Intensität des Sounds überrascht beinahe ein wenig, wenn man auf die Geräte schaut, die ihn erzeugen. Genelecs 6040R werden vom Hersteller selbst als Standlautsprecher bezeichnet. Vielmehr wirken sie aber wie Regallautsprecher, die fest auf einem Stativ montiert sind. Ein stabiler Fuß bildet die Basis und beherbergt außerdem die Elektronik. Zentral darauf ragt eine Säule in die Höhe, die den „eigentlichen“ Lautsprecher trägt. Dessen Grundriss entspricht in etwa dem des Fußes und ist mit etwa 22 mal 23 Zentimetern keineswegs ausladend. Mit einer Höhe von knapp einem Meter und mit ihrer schlanken Konstruktion, wirken die 6040R recht zurückhaltend. Auch bei den Farbvarianten dominiert nordischer Pragmatismus. Weiße und schwarze Gehäuse können mit ebenfalls weißen oder schwarzen Gitterabdeckungen kombiniert werden. Verantwortlich für das generelle Design der Lautsprecher ist der finnische Designer Harri Koskinen. Neben ästhetischen wurden hier aber besonders akustische Faktoren bedacht.
Fließende Formen
Offensichtlichstes Stilmittel für die hübsche Optik und optimierte Abstrahlung ist der Verzicht auf Ecken und Kanten. Gerade Linien findet man, abgesehen vielleicht von der zentralen Säule, praktisch nirgends. Auch die Oberflächen von Gehäuse und Fuß weisen alle mehr oder weniger ausgeprägte Wölbungen auf. Dazu ist der Hochtöner wenige Millimeter in das Gehäuse hinein versetzt. Genelec möchte so ein besonders breites und homogenes Schallfeld erzeugen. Gleichzeitig führen die fließenden Linien der 6040R zu einem sehr gefälligen Look mit eigenem Stil. Wer die Produkte der Firma kennt, erkennt auch die Designhandschrift wieder. Recht minimalistisch und ohne Spielereien, aber nicht ohne Eleganz, lassen sich die Lautsprecher in verschiedensten Einrichtungsstilen einsetzen. Am besten stellt man sie aber so auf, dass die Rückseite nicht sichtbar ist, denn hier schmälern vier recht große, unlackierte Schrauben den ansonsten guten optischen Eindruck. Auch einige sichtbare Verbindungsstellen verschiedener Gehäuseteile werden besonders peniblen Designfreunden eventuell missfallen.
Öko-Alu
Ihrem schlanken Äußeren zum Trotz sind die 6040R in Sachen Material recht massiv. Hier kommen erneut Aspekte von Ästhetik und Akustik zusammen. Genelecs Firmengründer Ilpo Martikainen und Designer Koskinen, wollten weg vom typischen Look kastenförmiger Holzgehäuse. Statt MDF viel die Wahl für den Werkstoff also auf Aluminium. Und das in nicht zu verachtender Materialstärke. Das führt zu einem besonders steifen und damit enorm resonanzarmen Gehäuse und einem recht beachtlichen Gewicht von immerhin etwas über 15 Kilogramm pro Lautsprecher. Da Genelec sich aber auf die Fahnen geschrieben hat, nachhaltig zu produzieren, muss dafür nicht aufwändig neues Erz aus dem Boden geholt werden. Alle Lautsprecher werden aus recyceltem Aluminium hergestellt. Dazu wird außerdem die Fabrik in Finnland vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben. In Zeiten, in denen besonders leistungsstarke Unterhaltungselektronik durchaus wegen ihres Einflusses auf die Umwelt kritisiert werden kann, ist dies auf jeden Fall zu begrüßen.
Episch
Indessen erklingt eine einzelne Bratsche vor einem immens dunklen Hintergrund. Den ruhigen Klängen wird ein hauchzartes Vibrato beigegeben, während große Trommeln sich an den Seiten aufbauen. Mit ihrer wunderbar plastischen Wiedergabe entwickeln die 6040R bei „ Dracarys“ aus Ramin Djawadis „Game Of Thrones“ Soundtracks eine tolle Natürlichkeit. Auch der hinzukommende Kontrabass wirkt herrlich voll und legt ein schönes Fundament für den hellen, beinahe schwebenden Chor, der zunehmend stärker in das Geschehen eingreift. Dann ein winziger Moment der Stille, gefolgt von einem unheimlich satten Sweep des Basses, begleitet vom kräftigen Donner der wiedereinsetzenden Pauken. Gerade mit „The King’s Arrival“ setzen die Aktivlautsprecher dann Akzente. Glänzende Bläser werden im hin und her mit den gut definierten Streichern fein aufgelöst. Währenddessen fahren mir die treibenden Trommeln mit der Kraft kleiner Erdbeben in den Körper. Die Endstufen behalten dabei stets die Kontrolle und dosieren alle Elemente des Arrangements auf das perfekte Niveau.
Punktgenaue Power
Entsprechend ihrer Studio-Gene ist die 6040R auf Präzision ausgelegt. Besonders die Hochtonkalotte mit 19 Millimetern Durchmesser, legt eine große Detailverliebtheit an den Tag. Feine Obertöne, leise Effekte, aber auch kleine Fehler in der Abmischung werden hier konsequent umgesetzt. Der Tiefmitteltöner steht diesem Soundkonzept ebenfalls praktisch in nichts nach. Das 165-Millimeter-Chassis bietet kräftigen Druck, lässt aber erneut keine Kleinigkeit im Signal aus. Beide Treiber werden in der 6040R von einzelnen, DSP-kontrollierten Endstufen angetrieben. Jeder der Class-D-Verstärker liefert bis zu 150 Watt Leistung, mit denen die Lautsprecher problemlos auch hohe Pegel erreichen können. Doch es ist besonders die Kontrolle und Genauigkeit, die hier auffällt. Jeder Ton bleibt nur so lange im Raum, wie er soll. Dabei sind jeder Einsatz, jede Note und jeder Effekt mit fester Intention der Lautsprecher verbunden. Alles gespielte wurde vom Toningenieur in das Signal gelegt. Ob gewollt oder nicht.
Ehrlichkeit ist Trumpf
Dieses Konzept kann ein wenig zwischen Fluch und Segen schwanken. Ist die Aufnahme gut gemacht, liefern die Genelecs herausragenden Sound, mit unheimlicher Spielfreude. Eben das, was sich Musikfans von der Wiedergabe eines Songs erhoffen. Andersherum können mäßig gemachte Aufnahmen dann ein wenig leblos wirken. Die 6040R ist zu ehrlich, um den Songs in diesem Fall ihren Stempel aufzudrücken. Etwas Vertrauen in die eigene Musiksammlung gehört hier also dazu. Details, Kraft und Räumlichkeit die nicht vorhanden sind, können auch die Genelecs nicht wieder hinzuerfinden. Sie spielen konsequent neutral und mit sehr natürlichem Timbre. Und das praktisch im gesamten Raum. Durch das clever gestaltete Gehäuse verlieren sie auch unter Winkel kaum Klanganteile. Das macht die Positionierung ein wenig einfacher, doch die üblichen Tipps wie das Bilden eines gleichschenkligen Dreiecks zwischen Lautsprechern und Hörposition, oder etwas Abstand zu Wänden und Ecken, helfen natürlich auch hier.
Untenrum
Bei der Anpassung der 6040R bietet Genelec sogar noch weitere Möglichkeiten. Jeder der beiden Lautsprecher verfügt über eine Reihe von Schaltern, mit den sich der Frequenzgang beeinflussen lässt. Tiefbass und Bass lassen sich separat um zwei beziehungsweise vier Dezibel absenken. So lassen sich Überhöhungen bei wandnaher Aufstellung vermeiden. Der Hochtonbereich kann außerdem um zwei Dezibel erhöht, oder um vier Dezibel verringert werden. Auch das Timing des Auto-Standby und die Kanalzuordnung bei der Verwendung einer digitalen Quelle, können mit Hilfe kleiner Dip-Schalter eingestellt werden. Die Implementation der Funktionen ist natürlich nett, doch ergonomisch ist sie keineswegs. Da sich die Bedienfelder unter dem Fuß befinden, müssen die Lautsprecher zunächst auf den Boden gelegt werden, um sie zu erreichen. Die winzigen, dicht beieinander liegenden Schalter in die entsprechende Position zu bringen, ist dann eine andere Herausforderung. Die Justage des Maximalpegels per Schraubenzieher und Poti, ist da etwas einfacher.
Genelec 6040R – Optimaler Klang in jedem Raum
Dieses ergonomische Problem lässt sich auf Wunsch mit Hilfe eines optionalen Zubehörs lösen. Für etwa 400 Euro bietet der Hersteller das Genelec GLM-Set an. Dieses besteht aus einem Messmikrofon und einem USB-Interface, das man an einen Computer auf der einen und die Lautsprecher auf der anderen Seite anschließt. Mit Hilfe der GLM-Software kann dann eine Einmessung des Raumes erfolgen, bei der eine Korrekturkurve für verbesserte Linearität erstellt wird. Auch alle Funktionen der verbauten Schalter können am Laptop eingestellt werden. Mit der Übertragung des Setups auf die Lautsprecher, kann man das GLM-Kit dann wieder entfernen. Der Vorgang geht insgesamt schnell und Kenner werden hier noch zahlreiche Möglichkeiten für tiefgreifendere Anpassungen vorfinden. Das ist besonders für den Einsatz der Lautsprecher im Heimkino interessant. Allerdings ist die Software vollständig in Englisch. Im Zweifel also besser den Fachhändler mit der Einrichtung beauftragen.
Gewissensfrage
Mit der optimierten Impulsantwort klingt Angela Puxis flotter Mix aus Jazz, Rock und House noch ein wenig direkter. Die Aktivlautsprecher projizieren das Saxophon weit in den Raum hinein. Bläser, Bassdrum und Keyboards erhalten auch hier eine tolle Körperhaftigkeit, die das Spiel wunderbar dreidimensional erscheinen lässt. Ob frenetische, kernige Drums, diffuser Bass oder akkurat definierte Bläser, alles wirkt echt und lebendig. Das hohe Maß an Transparenz, Definition und Dynamik könnte für manchen Hörer beinahe etwas zu viel sein. Verbunden mit hohen Pegeln lässt sich das Erlebnis beinahe mit einer kräftigen Massage vergleichen. Im Nachhinein mag man vielleicht erschöpft sein, aber irgendwie auch glücklich. An der Qualität des Klangs der Genelec 6040R lässt sich hier auf jeden Fall nicht zweifeln. Mit ihnen kann man Musik genießen, wie mit wenigen anderen Aktivlautsprechern. Was bleibt ist eben die Frage, was man möchte: Den Sound der Musik, oder den des Setups?
Fazit
Der Sound der Genelec 6040R sollte jeden Musikfan ins Schwärmen bringen. Die Aktivlautsprecher übertragen jedes Detail, jede Note und jede Emotion der Musik auf den Hörer. Kraftvoll, dynamisch und ausgenommen neutral steht praktisch nichts zwischen Song und Zuhörer. Gleichzeitig wird nichts beschönigt und Unzulänglichkeiten der Aufnahme werden ebenso aufgedeckt, wie die Qualitäten gut gemachter Alben. Zu den Kompetenzen als Studiomonitor mischt Genelec dann das richtige Maß ansprechendes Design. Dabei sind die fließenden Formen der Lautsprecher wichtig für Auge und Ohr, denn auch die Akustik profitiert hier vom Verzicht auf Ecken und Kanten. In Anbetracht des exzellenten Klangs, kann man einige undurchdachte Bedienelemente sicher verschmerzen. Wer klangstarke Lautsprecher sucht, um voll und ganz in die eigene Musiksammlung einzutauchen, ist mit den Genelec 6040R an der richtigen Adresse.
Test & Text: Philipp Schneckenburger
Fotos: Branislav Ćakić
Klasse: Referenzklasse
Preis-/Leistung: sehr gut
100 of 100
96 of 100
96 of 100
Technische Daten
Modell: | Genelec 6040R |
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Produktkategorie: | Aktivlautsprecher |
Preis: | 3.383 Euro (Stück) |
Garantie: | 2 Jahre |
Ausführungen: | - Weiß (Abdeckungen Schwarz oder Weiß) - Schwarz (Abdeckungen Schwarz oder Weiß) |
Vertrieb: | Audio Pro Elektroakustik, Heilbronn 07131 26360 www.genelec.de |
Abmessungen (H x B x T): | 999 x 250 x 266 mm |
Gewicht: | 15,1 kg |
Bauart/Prinzip: | Zwei-Wege, aktiv, geschlossen |
Bestückung: | 1 x 19 mm Hochtonkalotte 1 x 165 mm Mittel-Tieftonmembran |
Frequenzbereich: | 43 Hz – 20 kHz (Herstellerangabe) |
Leistung: | 2 x 150 Watt (Herstellerangabe) |
Anschlüsse: | 1 x XLR Mono Eingang 1 x AES/EBU Eingang 1 x AES/EBU Ausgang 2 x RJ45 GLM |
Lieferumfang: | 1 x 6040R 1 x Stromkabel 1 x Ethernetkabel (5m) 1 x Bedienungsanleitung |
Pro & Contra: | + einzigartiges Design + hohe Verarbeitungsqualität + Leistungsstarke Endstufen + exzellentes Abstrahlverhalten + ausgezeichnete Detailwiedergabe + enorme Plastizität + gute Transparenz + dynamisch und differenziert + tonal neutral + natürliches Timbre + druckvolles, kontrolliertes Spiel + optionale Einmessung - Positionierung von Schaltern und Anschlüssen teils ungünstig |
Benotung: | |
Gesamtnote: | Highlight |
Klasse: | Referenzklasse |
Preis-/Leistung | sehr gut |
Getestet mit: | Innuos ZENmini Mk 3 RME ADI-2 DAC Viablue NF-S6 Air XLR QED Performance USB A-B Graphite IsoTek Polaris EVO 3 |
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