Home » Tests » Aktiv-Lautsprecher Lyravox Karlina Pure – Audiophiles Reinheitsgebot
11. März 2020von Volker Frech
RedakteurKlarster Klang, cooles Design, komplettes System – mit diesem highendigen All-in-One-Konzept hat die Karl-Serie von Lyravox Furore gemacht. Jetzt bekommt die Familie Zuwachs und erfährt eine Konzept-Erweiterung: Die Lyravox Karlina ist auch als Pure-Variante zu haben, also als reiner Aktiv-Lautsprecher ohne Streaming-Modul. Bietet dieser Drei-Wege-Schallwandler ansonsten alle Vorzüge der Serie, also auch den Ambience-Tweeter für die grandiose Räumlichkeit?
Es hat sich einiges geändert: Ursprünglich ist Lyravox durch sein Retro-Design bekannt geworden, die 2013 gegründete Hamburger Manufaktur präsentierte mit der Stereomaster-Serie beeindruckende Onwall-Systeme, die modernste Technik im Stil der 1950er/1960er-Musiktruhen an die Wand brachten. 2017 stellte Lyravox auf der High End mit Karl und Karlotta die ersten beiden Modelle der neuen Karl-Serie vor – und vollzog mit dieser Reihe eine radikale Design-Umkehr: Weg vom heimeligen Retro, hin zur nüchtern-reduzierten Bauhaus-Ästhetik, die auf alles Verspielte verzichtet und stattdessen mit einer entschlackt-schlanken Optik aufwartet. Dieses Design haben wir schon bei dem von uns getesteten kleinen Lyravox Karlos bewundert, nun genießen wir es im ausgewachsenen Format bei der Karlina.
Moderner Loft-Style
Karlina führt die charakteristische Formgebung der Serie fort. Während das Gros heutiger Lautsprecher mit einer ziemlich schlanken Stirnseite aufwartet und sich eher in die Tiefe als in die Breite erstreckt, geht Lyravox bei der Karl-Serie genau den entgegengesetzten Weg: Die Front ist ist breit, der Korpus flach. Diese Geometrie hat akustische Vorteile: Durch die breite Vorderseite erreicht man eine große Schallwand, wodurch eine halbkugelartige Abstrahlung begünstigt und mehr Schallenergie in Richtung Hörer gerichtet wird. Das erhöht den Wirkungsgrad des Lautsprechers. Auch die Volumenberechnung des Gehäuses ging angeblich seiner Gestaltgebung voraus. Erst nachdem die Physik inklusive Einbeziehung der Verstärker und des Soundprozessors abgeschlossen war, kam die Optik ins Spiel. Form folgt Funktion – das ist die Erfüllung des hehren Design-Credos. Das Ergebnis ist die wunderschöne, wohnraumaufwertende Quadergestaltung im modernen Loft-Style. Sie sorgt in Kombination mit der makellosen, mattweißen Lackierung für den hohen Wiedererkennungswert der gesamten Karl-Serie. Wer möchte, bekommt Karlina gegen Aufpreis aber in jeder anderen gewünschten Farbgebung. Auch Sonderlösungen, etwa eine Furnierbekleidung, sind möglich. Unveränderlich hingegen ist, neben der Form, die ebenfalls charakteristische leichte Neigung nach hinten. Sie sorgt dafür, dass die Schallanteile der Chassis beim Hörer zeitrichtig eintreffen.
Geteiltes Gehäuse
Bei unserer Karlina, die mit den Maßen 36 mal 108 mal 19 Zentimeter aufragt, gesellt sich zur Bauhaus-Ästhetik auch die Anmutung einer antiken Stele, weil das Gehäuse fast monolithisch erscheint. Die einzige Unterbrechung ist der etwas oberhalb der Mitte angesiedelte , etwa ein Zentimeter breite Spalt. Wer nun genauer hinsieht, entdeckt, dass der Korpus komplett zweigeteilt ist. Die beiden Gehäusehälften stehen allein über zwei schmale, schwarze Stege in Kontakt. Sie sind akustisch also weitgehend voneinander entkoppelt. Der Spalt hat aber noch einen zweiten Zweck: Er unterstützt die Ventilation des oberen Gehäuses. Der Korpus besitzt nämlich auf der Unterseite eine Öffnung. Sie sorgt dafür, dass der Schallanteil, welcher vom Mitteltieftöner beim Zurückschwingen in das Gehäuse gestrahlt wird, durch diesen Durchlass in alle Richtungen an die Außenwelt abgegeben wird. Zugleich wird der Widerstand durch das sogenannte Luftkissen verkleinert. Dieses Kissen baut sich bei einem komplett geschlossenen Gehäuse auf, wenn die Membran zurückschwingt und dadurch die Luft im Korpus komprimiert wird. Im geschlossenen Gehäusen bremst das Kissen die Membran, dies führt zu hörbaren Kompressionseffekten. Die Ventilierung verhindert dies – und ermöglicht zugleich eine leichte tonale Abstimmung des Lautsprechers. Diese Öffnung finden wir ebenso im Boden des unteren Gehäuses. Auch hier dient der Durchlass eher der Ventilierung denn der Bassreflex-Abstimmung. Dabei ist die Öffnung so klein gehalten, dass das Gehäuse mit zunehmendem Pegel wie eine geschlossene Box agiert. Bei hohem Pegel braucht der Tiefton nämlich keine Unterstützung mehr durch eine Bassreflex-Abstimmung, da Bässe vom menschlichen Ohr nur bei niedrigen Lautstärken schlechter wahrgenommen werden. Der Schall aus Karlinas Bass-Gehäuse trifft nun nach seinem Austreten auf die schwarze Bodenplatte. Sie sorgt akustisch also für die ominidirektionale Abstrahlung. Mechanisch gibt sie dem gesamten geneigten Gehäuse der Karlina Halt.
Vier Schallwandler, drei Wege, zwei Front-Chassis
Hier ist nun viel vom Bass die Rede. Doch wo steckt dieses Chassis? Auf der Vorderseite suchen wir vergeblich nach einem Woofer, auf der Rückseite werden wir aber fündig: Hier sitzt im unteren Gehäuse ein zehnzölliger Konus-Lautsprecher mit Aluminium-Membran, den Lyravox von dem renommierten Spezialisten ScanSpeak bezieht. Für größere Räume und höhere Pegel kann seiner auch ein leistungsstärkerer Woofer eingebaut werden, das adelt die Karlina Pure zur 2.000 Euro teureren XT-Version. So oder so: Die versteckte rückseitige Positionierung des Woofers sorgt nicht nur für eine aufgeräumte Front, sondern erlaubt auch eine akustische Einbeziehung der Wand, an der Karlina steht. So kann man den Bassanteil allein schon durch die Aufstellung variieren. Präziser und eleganter wird der Tiefton aber über eine Einmessung eingestellt. Karlinas integrierter Soundprozessor macht’s möglich. Auf diesem Weg lässt sich der Lautsprecher sogar direkt an die Wand stellen, Bassüberhöhungen werden dann im Zuge der Einmessung nivelliert. Hierauf kommen wir später noch einmal zurück. Widmen wir uns erst mal den offensichtlichen Chassis: Im oberen Korpussegment arbeiten ein 30-Millimeter-Hochtöner und ein Sieben-Zoll-Tiefmitteltöner, der bis 80 Hertz runter spielt und dann an den Tiefsttöner im unteren Gehäuse abgibt. Jetzt wird es uns klar: Eigentlich ist Karlina ein Zwei-Wege-System mit zusätzlichem Subwoofer. Sowohl der Hoch- als auch der Mitteltieftöner stammen von Accuton, einem in High End-Kreisen sehr beliebten Hersteller – und dem einzigen Produzenten von puren Keramikmembranen. Diese kommen bei beiden Frontal-Chassis zum Zuge. Da schrillen bei Audiophilen schnell die Alarmglocken: Keramik ist zwar als ultrahartes Material bekannt, das der Membran zu extremer Verformungsresistenz verhilft. Wegen seiner ausgeprägten Eigenresonanzen ist Keramik im klassischen HiFi, wo Lautsprecher mit einer passiver Frequenzweiche ausgestattet sind und mit einem herkömmlichen Verstärker betrieben werden, zugleich aber verpönt. Erst im Zusammenspiel mit einem Soundprozessor und aktiver Verstärkerelektronik ist das Keramikproblem zu lösen. Dazu kommen wir gleich, erst einmal machen wir uns auf die Suche nach dem verheißenen vierten Schallwandler.
On Top: Tweeter für die Räumlichkeit
Diesen Lautsprecher finden wir auf der Oberseite des Gehäuses. Es handelt sich um eine weitere Spezialität, um einen Air Motion Transformer, kurz: AMT. Seine Membran besteht aus einer zarten Folie, die zwischen Magneten sitzt, von Leiterbahnen durchzogen ist wie eine Ziehharmonika gefaltet erscheint. Fließt durch die Leiterbahnen das Musiksignal in Form von elektrischem Strom, so wird die gefaltete Membran durch elektromagnetische Effekte zusammengestaucht und wieder auseinandergezogen. Dies presst die Luft aus den Membranfalten heraus. Diese Luftbewegung passiert wesentlich schneller, als sie durch die kolbenförmige Vor-und Rückwärtsbewegung normaler Membranen geschieht. Deshalb ist der Air Motion Transformer wie gemacht für die agile und exakte Schallwandlung der Höhen. Lyravox setzt den AMT ab dem sogenannten Brillanzbereich ein. Er spielt ab etwa sechs Kilohertz beginnend parallel mit dem Hochtöner und wird auch über dessen Verstärker mitbetrieben. Der Einsatz des AMT zeitigt mehrere Wirkungen: Zum Einen gleicht er die Bündelungseffekte des frontseitigen Hochtöners aus. Sie resultieren aus der Größe seiner invertierten Kalotte und äußern sich in leicht reduziertem akustischen Glanz. Zum Zweiten steht der AMT senkrecht zum Hochtöner und strahlt deshalb seinen Schall phasenverschoben ab. Dies sorgt für eine gewollte Diffusion des Schalls, allerdings ohne jene Auslöschungen zu erzeugen, die durch einen auf der Rückseite des Gehäuses positionierten Diffusschall-Hochtöner entstehen. So stärkt der On-Top-AMT, ohne selbst aufzufallen, den räumlichen Eindruck des Wiedergabe sowie die Offenheit und Klarheit des Klangbilds.
Soundprozessor und Class-D-Verstärker
Kommen wir nun endlich zu den inneren Werten von Karlina. Sie ist ein Aktiv-Lautsprecher, das heißt: Alle Vor- und Endstufen sind bereits eingebaut. Das hat zwei große Vorteile: Man benötigt keinen weiteren Verstärker, der in der Wohnung Platz beansprucht. Man braucht nur noch einen Zuspieler – fertig ist die Klangkette. Zudem wird jedes Chassis auf kürzestem Wege mit einem optimal auf ihn angepassten Amp betrieben. Bei der Carlotta sind es für jeden der drei Wege, also für Höhen, Mitten und Bässe, Verstärkermodule mit einer Leistung zwischen 150 und 200 Watt. Das ist Power satt – und die liefern Verstärker in Class D-Technik. Durch einen Kniff – entweder eine Pulsweitenmodulation oder eine Pulsfrequenzmodulation – können diese Verstärker im sogenannten Schaltbetrieb überaus effizient arbeiten. Noch vor wenigen Jahren waren Class-D-Verstärker wegen ihrer klanglichen Defizite verpönt, mittlerweile haben sie aber ein audiophiles Top-Niveau erreicht und lassen sich als Module gezielt einsetzen. Im Zusammenspiel mit der volldigitale Frequenzweiche eines Soundprozessors ist so eine überaus exakte Ansteuerung möglich. Erst hierdurch ist bei Karlina und ihren Geschwistern der Einsatz von Lautsprechern mit Keramikmembranen ohne klangliche Härten machbar, erst so kann dieses Membranmaterial seine Vorteile ausspielen: höchste Impulstreue durch die hohe Steifigkeit, von herkömmlichen Chassis abweichendes dynamisches Verhalten im Betrieb. Lyravox reklamieren für sich, die ersten und bislang einzigen zusein, die dieses Kombinationskonzept von Keramik, Class D und DSP realisieren.
Optimaler Klang mit optionaler Raumkorrektur
Beim Soundprozessor kommt dabei die neueste Generation des Hypex Ncore zum Einsatz, er besitzt mehr Rechenleistung, bietet mehr Headroom, also Reserven, und ist mit neuen Wandlern ausgestattet. Dieser DSP ermöglicht auch die gezielte Anpassung an den Raum, so lassen sich Defizite des heimischen Ambientes ausgleichen. Diese Raumkorrektur gelingt über einen Einmessvorgang, den Lyravox gegen einen Aufpreis von 590 Euro anbietet. Wer die XT-Variante der Karlina kauft, bekommt den Einmess-Service gratis. Neben der Nivellierung des Raums werden dabei verschiedene Presets angeboten. So lässt sich etwa ein Modus speziell für historische Aufnahmen konfigurieren, der die typischen Mängel der alten Aufzeichnungen ausgleicht, oder ein Modus für die Filmton-Wiedergabe, falls Karlina auch bei cineastischen Abenden den Soundtrack liefern soll, oder ein persönlicher Modus, der individuelle Hörschwächen ausgleicht.
Schnittstellen und Eingänge
Trotz des neuesten Soundprozessors bietet Karlina die gleiche HiRes-Akzeptanz wie ihre Seriengeschwister, sie verarbeitet eine File-Qualität bis 192 Kilohertz/24 Bit. Dafür stellt sie mit dem optischen Toslink-Input und dem elektrischen Coax-Eingang zwei S/PDIF-Schnittstellen zur Verfügung, überdies bietet sie einen AES/EBU-Eingang. Dies ist eine Profi-Schnittstelle, die im Tonstudio Standard ist und im Consumer-Bereich nur von ausgesuchten High End- und HiFi-Zuspielern geboten wird. Einen USB-Port besitzt Karlina nicht. In ihrer Pure-Version bietet sie auch keinen Streamer. Der Sinn dieses Purismus: Viele Audiophile besitzen bereits eine eigene Streaming- oder Serverlösung und benötigen daher kein eingebautes Modul für die Integration in das heimische Netzwerk. Für alle anderen bietet Lyravox seine Karlina alternativ in der Komplett-Version an. Dann verfügt sie sowohl über einen HD-Streamer für die LAN/WLAN-Einbindung als auch über eine Bluetooth-Streaming-Einheit. Darüber hinaus bietet die Komplett-Karlina einen USB-A-Port, verfügt über kräftigere Verstärkermodul und lässt sich über eine eigene App oder über eine funktionsreichere Fernbedienung mit Farbdisplay bedienen. Zurück zu unserer Karlina Pure: Analogseitig punktet sie mit einem symmetrischen Line-Eingang in Gestalt einer XLR-Buchse. Auch dies ist Studio-Standard und bürgt für die bestmögliche Übertragungsqualität des Audiosignals. Alternativ steht ein Line-Input in Form zweier Cinch-Buchsen parat. Da alle analogen Signale zur internen Weiterverarbeitung erst einmal in Nullen und Einsen verwandelt werden, empfiehlt sich, so man die Wahl hat, eine Zuspielung auf digitalem Wege. Was auch immer angeschlossen wird: Karlina erwacht dank ihrer Auto detect-Fähigkeit automatisch aus ihrem Standby-Schlummer, sobald eine Quelle aktiviert wird, und sie schaltet ebenso automatisch auf den richtigen Eingang um. Umgekehrt geht sie, wenn keine Quelle spielt, nach kurzer Zeit wieder in den Ruhe-Modus. Wir wollen aber keine Ruhe, sondern Bestbeschallung – also schließen wir die Karlina endlich an.
Aufbau und Einmessung
Obwohl jede Karlina identisch und somit gleich ausgestattet ist, nimmt Lyravox eine Voreinstellung vor und bestimmt den rechten Lautsprecher zum „Master“. An ihn werden also alle Quellen angeschlossen, er übernimmt die Steuerung und leitet seine Signale und Befehle dann an den „Slave“, also den linken Lautsprecher. Dies geschieht über ein mitgeliefertes Synchronisationskabel. Es wird vom koaxialen digitalen Cinch-Ausgang des Masters zum entsprechenden Eingang des Slaves gezogen. Die Verkabelung erledigen wir, nachdem wir die beiden Lautsprecher in unserem Hörraum postiert haben. Dabei nutzen wir die Möglichkeit, näher an die Wand gehen zu können. Die Bassüberhöhung, die hierdurch entsteht, kann ja bei der anschließenden Raumkorrektur ausgeglichen werden. Diese Einmessung übernimmt Götz Martin von Laffert, der Mitbegründer von Lyravox. Ziel ist nicht die komplette Nivellierung. Die vermeiden auch andere Anbieter von Einmessungen, weil absolute Linearität auch zu einer Leblosigkeit des Klangs führt. Zudem möchte Lyravox vermeiden, dass einem der bekannte und akustisch vertraute Raum plötzlich fremd erscheint. Deshalb werden die Deformationen auch mit Augenmaß, besser: mit Ohrenmaß ausgeglichen, bis ein ausgewogenes, stimmiges Klangbild erreicht ist. Nun ist Karlina einsatzbereit. Als Quellen schließen wir analogseitig den Plattenspieler Transrotor Dark Star an, sein Signal bereitet der ebenfalls von uns schon getestete Phono-Verstärker SteinMusic Stateline Phono 2 Signature auf. Anschlusseitig müssen wir dafür nun je ein Audiokabel vom Phono-Vorverstärker zur linken und rechten Karlina legen. Zweite Quelle ist dann unser CD/SACD-Spieler Oppo UDP-203, dessen Signal wir erst analog, dann digital zu Karlina führen, um zu hören, wie es um Karlinas Wandlerqualitäten steht. Für die digitale Zuspielung setzen wir schließlich als audiophile Lösung noch den Antipodes CX als Musikserver eingesetzt, den wir über einen Signalkonverter an die AES/EBU-Schnittstelle der Karlina anschließen. Jetzt kann es endlich losgehen.
Die Lyravox Karlina Pure in der Praxis
Zuerst also Vinyl: Wir wählen von Patricia Barbers Album „Modern Cool“ ihre Interpretation des Beatles-Klassikers „The Fool On the Hill“. Barber beginnt, sie singt die uns so vertrauten ersten Zeilen und begleitet sich dabei am Klavier. Schon mit diesen ersten Takten beginnt der Genuss: Barber besitzt eine überaus angenehme Stimme, sie ist warm, hat ein leicht dunkles Timbre, und die Chanteuse weiß ihr Organ auch genau so einschmeichelnd einzusetzen, sie hat uns direkt für sich gewonnen. Das liegt auch an der tollen Präsenz, mit der Karlina diese Sängerin samt ihrem Piano in unseren Hörraum stellt. Diese Unmittelbarkeit ist umso wirkungsvoller, weil die Wiedergabe absolut klar und sauber ist. Gäbe es nicht ab und an einen Knacklaut von der Schallplatte, würden wir glatt vergessen, dass die Musik von einem Tonträger kommt. Die Wirkmacht wird aber ebenso durch die ausgezeichnete Räumlichkeit der Abbildung beflügelt, der Ambience-Tweeter leistet hier im Verbund mit dem Hochtöner ganze Arbeit: Barber und ihr Klavier werden nach der Einleitung bald von der Begleitcombo gerahmt: hinten das Schlagzeug, davor und leicht rechts der Bass, zur Linken die Gitarre, Barber im Zentrum – schon ist die Privatvorstellung komplett. Die exzellente Staffelung wird durch die plastische Abbildung der Instrumente ergänzt: Nach dem melancholischen Intro driftet die Nummer in Richtung Latin und Swing, und nun jedes Instrument seinen Solo-Spot. Dadurch erleben wir ein perlendes Klavier, wir hören die Fülle an Klangfarben, die durch die zahlreichen mitschwingenden Saiten die Lebendigkeit dieses Tasteninstruments ausmachen. Wir hören aber ebenso die Charakteristika der Gitarren: Im virtuosen Solo von John McLean können wir beim Anschlag erkennen, ob er auf den Diskantsaiten aus Nylon oder den mit Stahl umsponnenen Basssaiten spielt. Alles ist da: kleinste Griffgeräusche und Rutschlaute, welche der Wiedergabe erst Authentizität verleihen, ebenso feinste Dynamikabstufungen, die durch die variierende Anschlagsstärke hervorgerufen werden – diese Wiedergabe ist schlicht livehaftig. Was uns zudem beeindruckt ist die Fülle des Tieftons: Michael Arnoplo spielt einen Kontrabass, Karlina holt alle Facetten dieses Viersaiters heraus: Den volltönenden, aber immer etwas belegten Ton in tiefen Lagen, den leicht näselnden, hohlen Klang in höheren Lagen – das ist spitze!
Beeindruckende Klarheit, exzellente Auflösung
Wechseln wir den Zuspieler und die Musik. Von CD spielen wir über den Analog-Eingang das Duett „Il Core Vi Dono“ aus Wolfgang Amadeus Mozarts Treuetest-Oper „Così fan tutte“. Die LiveStrings unter der Leitung von Jesper Nordin begleiten Eline Denice Risager in der Rolle der Dorabella und Thomas Sigh als Guglielmo, der in Verkleidung versucht, die Verlobte seines Freundes zu verführen. Parallel dazu verführt uns Karlina – und zwar mit der feinauflösenden, detailreichen und ungemein plastischen Darstellung dieses Duetts. Wir können geradezu spüren, wie Thomas Sigh nach kurzem Luftholen seinen baritonalen Ton in der Brust formt, wir erleben, wie er lasziv jedes „R“ seiner Worte über den Kehlkopf rollen lässt, wie seine Stimme eine Wärme ausstrahlt und eine Intimität erzeugt, der sich Dorabella kaum entziehen kann. Wie klingt es nun, wenn wir dieses Duett digital über den Koax-Input zuspielen? Es ist erstaunlich: Die Wiedergabe legt nochmals legt nochmals in punkto Klarheit, Auflösung und Dynamik. Bei den einschmeichelnden ersten Worten des Guglielmo fällt nun deutlicher der Hall auf, mit dem diese Aufnahme belegt worden ist, um uns einen Konzertsaal zu imaginieren. Das klappt prächtig: Mit geschlossenen Augen sitzen wir mitten in der Aufführung. Die Plastizität der Sänger ist ebenfalls einen Tick gesteigert. Nun, wo Karlina die Wandlung übernimmt, hat selbst die nicht ganz so charismatisch singende Eline Denice Risager mehr Aura und Anziehungskraft. Wir sind ihr scheinbar näher, wir hören mehr Feinheiten ihrer Tonformung, ihres Vibrato-Einsatzes und ihres Luftholens. Bei der Staffelung des Orchester erleben wir ebenfalls einen Zugewinn: Die Streicher, die das Gesangsduo begleiten, geben uns durch ihren Positionierung im Hintergrund einen deutlicheren Eindruck von der Tiefe der imaginierten Bühne, sind aber zugleich differenzierter und definierter abgebildet. Aus dem Mischklang des Orchesters können wir heraushören, wie ein Geiger den Strich mit dem Bogen über die Saiten so forsch ausführt, dass sein Ton kurzfristig eine merkliche Schärfe hat. Auch bei den teils kunstvoll ineinander verwobenen Instrumentalstimmen sind die Streicher vom Bass bis zu den ersten Geigen wunderbar zu unterscheiden und ergeben ein trotzdem ein homogenes Ganzes im Zusammenspiel. Es klingt alles so klar, selbstverständlich und anstrengungslos, dass wir, wie schon bei der Barber-Nummer, uns nach wenigen Momenten zurücklehnen und in den Entspannungsmodus schalten.
Dynamische Stärke mit Durchdringungskraft
Gibt es da noch ein Steigerung? Durchaus. Statt des S/PDIF-Eingangs wählen wir nun die AES/EBU-Schnittstelle und spielen über den Antipodes CX „You Better Hide“ von Yello zu. Schon mit den ersten Takten merkt man den quellenseitigen Qualitätssprung, davon profitiert ein High End-Schallwandler wie Karlina immens. Und so gewinnt die Musik der Schweizer Klangkünstler deutlich an Wirk- und Strahlkraft. Yello sind ja berühmt für ihre exzellent klingenden Aufnahmen, dieser Track bildet da keine Ausnahme – und mit Karlina wird die Erforschung des Yello-Klangkosmos zu einem atemberaubenden Erlebnis. Es beginnt mit der fast schon aseptischen Reinheit der Produktion, die uns durch die klare Wiedergabe der Karlina umso stärker beeindruckt. Es setzt sich fort mit den typischen Yello-Markenzeichen: Den Auftakt machen die wunderbar wabernden Synthesizer-Klangschwaden, die uns mitsamt dem Kunsthall einhüllen. Sie erreichen durch die Wiedergabe von Karlina eine Durchdringungskraft, die wir so auch noch nicht erfahren haben. Mit geschlossenen Augen verliert man da regelrecht den Bezug zur Realität. Wow! Dann beginnt natürlich das Spiel mit den elektronischen Geräusch- und Toneinsprengseln: Sie kommen völlig unvermittelt, weil Yello auf Signalimpulse mit minimalen Einschwingvorgängen setzt. Der „Aus dem Nichts“-Effekt ist mit der umgemein impulstreuen, dynamikstarken Karlina besonders beeindruckend. Schließlich ist bei Yello auch der Tiefbass ein Muss: Percussion- und Synthesizer-Töne aus dem Frequenzkeller drücken uns ordentlich auf Trommelfelle und Magen. O.k., wir haben für den maximalen Spaß die Lautstärke deutlich hochgefahren, um diesen Tiefton auch so richtig auskosten zu können. Dazu gibt uns Karlina reichlich Gelegenheit, denn sie stellt die Bässe mit herrlicher Kraft, Souveränität und Präzision in den Raum. Vor allem hier macht sich die Einmessung bezahlt: Trotz des hohen Pegels bleibt die Wiedergabe klar und konturiert. Und so können wir trotz der großen Lautstärke auch hier entspannt ins Sofa sinken und in diesen Klangkosmos eintauchen.
Fazit
Die Lyravox Karlina Pure macht ihrem Namenszusatz alle Ehre: Der Klang dieses High End-Lautsprechers ist sensationell klar. Dahinter steckt ein geradezu audiophiles Reinheitsgebot, das Lyravox durch die Kombination von Keramik-Schallwandlern, Class-D-Verstärkern und digitalem Soundprozessor realisiert. Durch den DSP ist zudem eine Raumkorrektur möglich, sodass dieser aktive Drei-Wege-Lautsprecher in jedem Ambiente seine optimale Klangperformanz bieten kann. Diese beeindruckt über die Klarheit hinaus mit einer fabelhaften Dynamik, einem kraftvoll-konturiertem Bass und einer herrlichen räumlichen Abbildung. Hier leistet der zusätzliche Ambience-Tweeter auf der Oberseite amtliche Arbeit. Durch die analogen und digitalen Inputs ist Karlina bis hin zum symmetrischen Anschluss für fast alle Fälle gewappnet, nur einen Streamer bietet sie in der Pure-Version nicht. Dies ist ihrer Zwillingsschwester „Karlina komplett“ vorbehalten. Wer also bereits über eine Streaminglösung verfügt oder sie schlicht nicht benötigt, dem sei diese akustisch klare, technisch pure und optisch reine Karlina wärmstens empfohlen.
Test & Text: Volker Frech
Fotos: Philipp Thielen
Klasse: Refernzklasse
Preis-/Leistung: angemessen
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Technische Daten
Modell: | Lyravox Karlina Pure |
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Produktkategorie: | Aktiv-Lautsprecher |
Preise: | - Lautsprecher: 17.800,00 Euro / Paar - Einmessung: 590,00 Euro |
Garantie: | 2 Jahre |
Ausführung: | - Weiß (andere Lackierung auf Wunsch, Aufpreis: 850,00 Euro) - Customizing (z.B. Furnier) auf Anfrage möglich |
Vertrieb: | Lyravox, Hamburg +49 40 / 32 08 97 98 - 0 www.lyravox.com |
Abmessungen (HBT): | - ohne Fuß: 1080 x 360 x 19 mm - mit Fuß: 1080 x 360 x 340 mm |
Gewicht: | ca. 29,5 kg |
Prinzip: | Drei-Wege-Lautsprecher, aktiv, ventiliertes Gehäuse |
Hochtöner: | 1 x 30 mm (Keramik-Kalotte, Accuton) |
Mitteltieftöner: | 1 x 173 mm (Keramik-Konus, Accuton) |
Subwoofer: | 1 x 254 mm (Aluminium-Konus, Scan-Speak) |
Ambience Tweeter: | 1 x AMT50 |
Übergangsfrequenzen: | 80 Hz / 2,2 kHz / 6 kHz |
Verstärkerleistung: | 1.200 W (Gesamtleistung beider Lautsprecher) |
Eingänge (analog): | 1 x Line symmetrisch (XLR) 1 x Line unsymmetrisch (Cinch) |
Eingänge (digital): | 1 x AES/EBU 1 x S/PDIF koaxial/elektrisch (Cinch) 1 x S/PDIF optisch (Toslink) |
Ausgänge (analog): | 1 x XLR (Through) |
Ausgänge (digital): | 1 x AES/EBU (Through) 1 x S/PDIF koaxial/elektrisch (Cinch) |
Maximale Samplingraten/ Auflösungen | PCM 192 kHz/24 bit |
Empfohlene Raumgröße: | bis 80 m² |
Lieferumfang: | - Lyravox Karlina Pure - Fernbedienung (Infrarot) - Netzkabel - Boxen-Synchronisationskabel |
Pros und Kontras: | + exzellenter Klang + Top-Design + ausgezeichnete Verarbeitung + Ambience Tweeter für erhöhte Räumlichkeit + EQ für Raum- und Klangkorrektur + Automatische Quellenwahl durch Auto-Detect + Automatischer Wake up / Sleep + Fernbedienung - kein USB-Port - Beschränkung auf 192 kHz / 24bit |
Benotung: | |
Klang (60%): | 97/100 |
Praxis (20%): | 97/100 |
Ausstattung (20%): | 96/100 |
Gesamtnote: | 97/100 |
Klasse: | Referenzklasse |
Preis-/Leistung | angemessen |