Home » Tests » Marantz Model 10 – Das neue Marantz-Maß
26. August 2025
von Volker Frech
RedakteurNeue Referenz: Mit dem Model 10 präsentiert die japanische Edel-Schmiede einen phänomenalen Vollverstärker, der in puncto Klang, Leistung, Technik und Design das neue Marantz-Maß der Dinge ist. Das 250-Watt-Flaggschiff punktet mit vollsymmetrischem Dual-Mono-Aufbau, prallem Anschluss- und Feature-Portfolio samt Phono-Modul und Kopfhörer-Verstärker – und setzt bei aller Verneigung vor der Tradition auf ein hybrides Verstärker-Konzept, das Kraft und Klangkultur kombiniert. Zu welch akustischer Exzellenz dies führt, zeigt unser Test.
Schwer beeindruckend und beeindruckend schwer – das ist der Eindruck, den das Model 10 auf Anhieb hervorruft. Zuerst stellt dieser Vollverstärker mit seinen opulenten 35 Kilogramm eine Herausforderung an die Tragkraft des Redakteurs und seines Schreibtischs dar. Nach dem Auf-den-Arbeitsplatz-Wuchten können wir dann die optischen und haptischen Qualitäten wertschätzen – und hier überkommt uns ein ehrfürchtiges Staunen: Was für ein luxuriöses, wunderschönes Design! Und was für eine superbe Material- und Fertigungsqualität! Bereits die zweiteilige Vorderseite sorgt für mehrere Wow-Momente: Die aus massivem Aluminium bestehende Hauptfront verblüfft uns mit einer unglaublichen Metall-Stärke von bis zu 4,5 (!) Zentimetern. Die Oberfläche ist edelst eloxierte – und weist vorderseitig ein hochattraktives Dimple-Design auf. Diese raffinierte, wellenartige Struktur sorgt bei jeder noch so kleinen Veränderung des Betrachtungswinkels für ein faszinierend changierendes Schimmern. Dieser Hauptfront steht nun, scheinbar schwebend, eine kleinere, zwei Zentimeter starke Aluminium-Blende vor, deren Oberfläche dank der Bürstung ein nobles Strichbild besitzt.
Magisches Design mit ikonischem Display
Bei unserem Testexemplar ist diese Blende im Marantz-typischen Champagner-Farbton gehalten. Alternativ ist das Model 10 komplett in Schwarz erhältlich. Der Blickmagnet-Faktor dieser Front lässt sich nun abermals steigern: Die mit leichtem Abstand aufgesetzte Blende bietet durch einen hinter ihr eingelassenen Lichtkranz eine indirekte Illuminierung. Dank dieser dimmbaren Umleuchtung ist der scheinbare Schwebezustand der Blende noch eindrucksvoller. Die gesamte Front wirkt dadurch umso magischer – und der komplette Verstärker, der mit den Maßen 19 mal 44 mal 47 Zentimeter doch ein ziemliches Boliden-Format besitzt, weniger wuchtig. Im Zentrum der Front thront natürlich das Marantz-Markenzeichen schlechthin: Das ikonische Bullauge, das seit seit über 60 Jahren die Premium-Produkte der Japaner ziert und bis heute für eine Verneigung vor der Tradition steht. Im Fall dieses neuen Referenz-Verstärkers ist diese runde Anzeige – wie auch die Modellbezeichnung – ebenso eine Reverenz an das berühmte Model 9, den bahnbrechenden Verstärker, den Firmengründer Saul Marantz 1960 präsentierte.
Optischer und haptischer Genuss
War das Bullauge damals ein zeigerbewehrter Leistungsmesser, so ist es hier ein neues hochauflösendes TFT-Display, das gestochen scharf und kontrastreich verschiedenste Informationen anzeigt: etwa den gewählten Eingang, den aktuellen Pegel, die digitale Simulation eines analogen Stereo-VU-Meters mit zuckenden Zeigern oder die Funktionen des Einrichtungsmenüs. Dieses Display ist ebenso dimm- und abschaltbar wie die Beleuchtung der Frontplatte sowie des Innenlebens (hierzu gleich mehr), sämtliche Illuminationen sind sogar synchronisierbar. Cool! Auch die Bedienelemente der Front tradieren den typischen Marantz-Look: Die beiden großformatigen Knöpfe bestehen aus massivem, perfekt gedrehten und gefasten Aluminium. Zur hochwertigen Optik kommt die herrliche Haptik: Der Quellwahl-Schalter agiert mit wunderbar weicher und definierter Rastung, das Lautstärke-Poti glänzt beim Drehen mit superber Sahnigkeit. Die Pegeleinstellung ist elektronisch kontrolliert, geschieht also auch bei Nutzung der Fernbedienung ohne motorisiertes Poti. Die eigentliche Lautstärkeregelung geschieht aber über eine analoge Schaltung, die eine vorzügliche Kanaltrennung bietet und mit variabler Verstärkung ein optimales Signal-Rausch-Verhältnis erreicht.
Konstruktives Kunstwerk
Hinter der Front geht der Korpus, abgesetzt durch einen feinen, genau definierten und zierenden Spalt, in die Seitenteile über. Hier setzt sich das luxuriöse Flair der Front im noblen Finish und im kompromisslosen Materialeinsatz fort: Die L-förmigen Seitenelemente sind wie die Stirnseite aus dem vollen Aluminium gefräst, edel eloxiert und hier bis zu 16 Millimeter stark. So wiegt jede dieser Wangen zweieinhalb Kilo. Mit ihrer L-Form bilden sie zugleich den rahmenden Teil der Oberseite: Eingefasst wird hier der nächste Blickfang: das großflächige Metall-Gitter, das sich von der Front bis zur Rückseite erstreckt Mit seiner Relief-artigen Struktur zitiert es das herrliche Dimple-Design der Front. Dieser Hingucker verführt zum Hineingucken: Durch das Geflecht erblicken wir, auch mithilfe der schon erwähnten internen LED-Beleuchtung, das Innenleben des Verstärkers. Diesem Aufbau sieht man seine kompromisslose Qualität und Kostbarkeit sofort an. Aufgrund der Ästhetik und Perfektion der Verstärker-Tolopologie sollte man hier von einem konstruktiven Kunstwerk sprechen.
Komposition in Kupfer
Ist das Model 10 äußerlich ein Traum in Aluminium, so erweist sich das Innere als Komposition in Kupfer. Mit dem rotbraun glänzenden Metall ist nicht nur der runde Ringkerntransformator gekapselt, sondern ebenso konsequent die Schirmung des gesamten Verstärkers wie auch seiner einzelnen Funktionsgruppen realisiert: Aus Kupfer bestehen die 6 Millimeter starke Deckenplatte unter dem Gitter, die Seitenstreben und der dreilagige Boden des grundlegenden Chassis, ebenso die Zwischendecke, die das Model 10 zum Zwei-Etagen-Verstärker macht: Unten residiert die Dual Mono-Endstufen-Sektion samt beider Netzteile, oben hausen die Eingangssektion und die Vorstufe, das nochmals separat und komplett abgeschirmte Phono-Modul sowie, durch eine Kupfer-Wand isoliert, die Stromversorgung der Vorstufe. Eine abermalige Kupferwand trennt dann zur Front hin die Kopfhörerverstärker-Schaltung und die Platinen der Steuerelektronik ab. Das ist ein extrem durchdachter und maximal aufwändiger Schutz der empfindlichen Elektronik vor äußeren elektromagnetischen Einstreuungen sowie vor Störungen, welche die Schaltungseinheiten des Model 10 selbst untereinander verursachen können.
Vollsymmetrisches Dual-Mono-Design
Die in diesem attraktiven Kupfer-Ambiente zur Schau gestellte Technik ist zurecht der Stolz der japanischen Ingenieure: Sie haben an diesem Referenz-Verstärker mehr als fünf Jahre im Shirakawa-Werk gearbeitet, ihre ganze Innovations- und Handwerkskunst konzentriert und fast alles neu- oder weiterentwickelt. Dies beginnt bei der frischen, mittlerweile dritten Generation von HDAM-Modulen, die in der Vorstufe die Verstärkung übernehmen. Marantz hat diese „Hyper Dynamic Amplifier Modules“ 1992 eingeführt. Es sind winzige Miniatur-Verstärker, die aus diskreten Komponenten bestehen und in SMD-Technik gefertigt sind. Sie sollen herkömmlichen, in ICs steckenden Operationsverstärkern in puncto Geräuschpegel-Minimierung und Anstiegsgeschwindigkeit deutlich überlegen sein. Das ermöglichen eine sauberere Verstärkung und eine natürlichere, dynamischere und detailreichere Wiedergabe. Mit diesen HDAM SA-3-Einheiten haben die Marantz-Entwickler eine diskret aufgebaute und mit exzellenten Komponenten bestückte Vorstufe samt Eingangssektion realisiert. Sie eröffnet das vollsymmetrische Dual-Mono-Design dieses Verstärkers. Die Signale von den rückseitig durchaus auch angebotenen nichtsymmetrischen Cinch-Inputs werden dafür gleich hinter den Eingangsbuchsen symmetriert.
Endstufe in Class D
Die Vorstufe besitzt eine komplett eigene Stromversorgung, die mit einem Linear-Netzteil arbeitet. Ihr Herzstück ist der üppige Ringkern-Trafo, der mit seiner Kupferbecher-Kapselung durch das oberseitige Gitter des Model 10 prominent zu sehen ist. In der Endstufe setzt Marantz hingegen auf einen Class-D-Verstärker mit Schaltnetzteilen. Überraschung? Jein! Das Traditions-Unternehmen, das ursprünglich mit Röhrenverstärkern begann, hat sich nach dem Wechsel zum Transistor seinen Weltruf sicherlich über Jahrzehnte mit Class-A- und Class-AB-Verstärkern aufgebaut. Doch schon seit etlichen Jahren sind die großen Modelle mit Schaltverstärkerstufen ausgerüstet – wie etwa der PM-10. Dass diese Technik nun auch im Referenzverstärker Model 10 zum Zuge kommt, zeigt den Stellenwert, den sie bei Marantz genießt. Die Japaner haben hier aber nicht einfach die Schaltung des PM-10 modifiziert, sondern in Zusammenarbeit mit dem bestens beleumundeten Spezialisten Purifi ein komplett neues Class D-Modul entwickelt, das speziell für Marantz maßgeschneidert ist und auch im eigenen Werk in Shirakawa gefertigt wird.
Das leistungsstärkste Marantz-Kraftwerk
Class D-Verstärker agieren supereffizient und sauber. Sie liefern viele Watt bei wenig Wärmeverlust und glänzen mit exzellenten Messwerten. So leisten die im Model 10 eingesetzten Module satte 250 Watt pro Kanal an Acht-Ohm-Lautsprechern und sagenhafte 500 Watt an Vier-Ohm-Schallwandlern. Damit ist dieser Referenz-Verstärker das leistungsstärkste jemals gebaute Marantz-Kraftwerk. Über diese Wattfülle soll das Model 10 dank seiner Laststabilität selbst beim Anschluss niederohmiger Lautsprecher verfügen. Die Strom-Lieferfähigkeit kann bei Impuls- und Lastspitzen bis zu immensen 30 Ampere betragen. Diese Potenz bürgt für eine exzellente Dynamikfähigkeit. Dabei vollführen die Class D-Module ihr Amplifizierungswerk laut Datenblatt mit einer extrem geringen Verzerrung von gerade mal 0,05 Prozent. Für die nötigen Energie-Reserven in der Stromversorgung sorgt bei diesem Dual-Mono-Verstärkeraufbau konsequenterweise pro Kanal ein eigenes Schaltnetzteil. Dank dieser Leistungsfähigkeit ist das Model 10 als reine Stereo-Endstufe nutzbar. Es kann aber auch zur noch wattstärkeren Mono-Endstufe gebrückt und mit weiteren Modellen im Bi-Amping-Modus oder Mehrkanal-Einsatz betrieben werden.
Anschluss-Vielfalt mit Top-Phono-Modul
Damit sind wir bei den Anschlüssen des Model 10. Eingangsseitig bietet er zuallererst einen Phono-Eingang. Prima: Hier ist der Anschluss eines MM- wie auch eines MC-Plattenspielers möglich. Für die erstklassige Entzerrung und Aufbereitung der sensiblen Signale sorgt ein großdimensioniertes, diskret aufgebautes und mit Premium-Komponenten samt HDAM-Verstärkern bestücktes Phono-Modul. Zugunsten der Kompatibilität mit verschiedensten MC-Abtastern bietet es drei Abschlussimpedanz-Wahlmöglichkeiten. Ein solch aufwändiges Phono-Modul in einem Vollverstärker ist selten. Für Line-Quellen bietet das Model 10 dann zwei symmetrische XLR- und drei unsymmetrische Cinch-Inputs. Einer davon lässt sich im Verbund mit dem ungeregelten Recorder Out als Teil einer Schleife für ein Tape-Deck oder ein anderes analoges Aufnahme- und Wiedergabegeräts nutzen. Zwei geregelte Ausgänge in symmetrischer und unsymmetrischer Ausführung dienen dann dem Anschluss einer externen Endstufe. All diese Anschlüsse sind in exzellenter Qualität realisiert. So ist auch die Rückseite des Model 10 eine Augenweide, hier ist ebenfalls wieder viel Kupfer im Spiel.
Edel-Klemmen für zwei Lautsprecher-Paare und Kopfhörer-Verstärker
Das gilt auch für die Lautsprecher-Anschlüsse: Bei den Klemmen setzt Marantz auf seine massiven, mit hochreinem Kupfer beschichteten SPKT-100+, die den hochwertigsten Verstärkern vorbehalten sind. Sie können aufgrund ihrer großen Aufnahmen querschnittstarke Litze aufnehmen. Ebenso sind natürlich konfektionierte Kabel mit Schuhen oder Bananenstecker verwendbar. Von diesen Edel-Klemmen besitzt das Model 10 acht Stück. Damit ist entweder Bi-Wiring mit einem Lautsprecherpaar möglich oder der Einsatz von zwei Schallwandlerpaaren. Sie werden immer zugleich betrieben, eine A/ B-Umschaltung ist leider nicht möglich. Wer alternativ zur Lautsprecher-Wiedergabe auch mal die Beschallung via Kopfhörer wünscht: Das Model 10 bietet einen echten, diskret aufgebauten Headphone-Amp. Auch hier kommen die HDAM-Schaltkreise zur Verstärkung und Impedanzanpassung zum Einsatz. Dieser Kopfhörerverstärker ist direkt hinter der Frontverkleidung platziert. Für den Anschluss des Kopfhörers, durch den die Lautsprecherausgänge automatisch stumm geschaltet werden, bietet der Verstärker eine große Klinkenbuchse.
Features und Fernbedienung
Das Model 10 bleibt der Marantz-Tradition auch in puncto Klangregelung treu: Der Verstärker bietet die Möglichkeit, Bässe und Höhen zu verändern, ebenso die Balance. Von vielen Audiophilen wird eine solche Soundanpassung abgelehnt, auch weil dadurch mehr klangbeeinflussende und -verschlechternde Bauteile im Signalpfad liegen. Dies kann durch die „Source Direkt“-Funktion des Model 10 vermieden werden: Durch sie wird die Equalizer-Sektion überbrückt, was eine höhere Klangqualität zeitigen soll. Diese wie auch alle anderen Einstellung wie die Art der Lautstärke-Anzeige, der Beleuchtungs-Modus (mit Abschalt-Option zur abermaligen Klangqualitätsförderung), die Phono-MM/MC-Anpassung oder die Auto-Standby-Aktivierung, gelingen über die mitgelieferte Fernbedienung. Über sie ist natürlich auch die Quellwahl und die Lautstärke-Veränderung möglich, ebenso die Stummschaltung des Verstärkers. Die stets in schwarz gehaltene System-Fernbedienung, die für die Marantz-Komponenten der Serie 10 konzipiert wurde, macht mit ihrer massiven, gebürsteten Aluminiumplatte ebenfalls einen hochwertigen Eindruck und liegt mit angenehmer Gewichtigkeit gut in der Hand.
Das Marantz Model 10 in der Praxis
Im Hörraum schließen das Model 10 erst mal an unsere Audio Physic Midex-Lautsprecher an und streamen über den als Quelle konnektierten Lumin Pi Mini „Doubt Thou The Stars“ vom Bobo Stenson Trio. Eigentlich war der Plan, jetzt wieder aus dem Hörraum zu gehen und den Marantz in Ruhe sich warmspielen zu lassen. Doch aufgrund der Performance des Model 10 bleiben wir direkt vor Ort. Es gibt Hör-Sessions, da hat man ab der ersten Sekunde und gleich mit den ersten Tönen den Eindruck: So ist es richtig – und dann hört man gebannt zu. Gerade erleben wir so einen Moment. „Doubt Thou The Stars“ wird von Drummer Jon Fält mit eigentlich unprätentiöser Beckenarbeit eröffnet: Er schlägt sanft die Kuppe seiner Crash-, Ride- und Splash-Becken an und nutzt sie wie ein kleines Glockenspiel, um hernach die Hauptflächen dieser Becken mit leisen Wirbeln und zarten Einzel-Berührungen zum Klingen zu bringen.
Reinheit und Klarheit
Mit dem Model 10 ist diese eigentlich unspektakuläre Einleitung eine akustische Offenbarung: Die Wiedergabe ist so rein und klar, so unmittelbar und direkt, dass wir jeden Aufprall der hölzernen Sticks auf das gedengelte Metall hören, als säße Fält mit seinem Drum Kit gerade mal drei Meter vor uns entfernt. Die Becken wirken verblüffend echt und plastisch. Wir können ihren glockenden Klang und die dann geräuschhaften Sounds in dem gesamten, scheinbar endlosen Ausschwingen verfolgen: wie sich beim Leiserwerden ihr Frequenzspektrum verändert, wie sie schließlich fast in einen singenden Ton übergehen, wie sich die Geräusche der verschiedenen Becken überlagern und dadurch ein Irisieren und Schillern den Raum erfüllt. Wir sind absolut gefesselt! Dabei findet dieses Faszinosum gar nicht in unserem Hörraum statt: Gleich mit dem ersten Ton werden wir in das luganesische Auditorio Stelio Molo RSI versetzt, wo das Bobo Stenson Trio diese Nummer aufgenommen hat.
Weggezauberte Wände
Dank der superben Auflösung hören wir den Raumhall, also die Schallreflexionen dieses Auditoriums, und erfahren so die Dimensionen des mittelgroßen Saals. Die realen Wände und Begrenzungen unseres Zimmers hingegen sind wie weggezaubert. So hören wir auch die nun einsetzenden zarten Klavierakkorde von Bobo Svenson und die folgenden Basstöne von Anders Jormin mit einer herrlichen Offenheit, Luftigkeit und Freiheit. Das alles ist nur möglich, weil das Model 10 mit überragender Rauscharmut verstärkt und dabei eine Wiedergabe liefert, die extrem sauber und transparent, ungemein detailreich und immens impulstreu ist. Dies führt zu der tolle Dynamik, die wir hier schon im Feinen erleben, zu einer immersiven Räumlichkeit und einer herrlichen Präsenz und Plastizität der Abbildung. Durch das Hinzutreten von Klavier und Bass wird dieser exzellente Eindruck bestätigt und erweitert: Svensons Tastenanschläge sind – bei realistischer Lautstärke – so gegenwärtig, dass wir den Impuls spüren, den der Aufprall der Hämmerchen auf die Klaviersaiten verursacht.
Am geöffneten Deckel des Flügels
Da Svenson seine Akkorde gerne lang stehen lässt, können wir auch hier in dem faszinierenden Klangkosmos versinken, den die angeschlagenen und durch den Resonanzboden des Klaviers mitklingenden Saiten erzeugen. Und auch hier vermittelt uns die Wiedergabe das Gefühl, dass wir nahe bei dem geöffneten Deckel des Flügels sitzen. Bei Anders Jormins Bass lernen wir dann kennen, wie kultiviert und trotzdem kraftvoll das Model 10 im Tiefton agiert: Jormin bietet kein gefälliges Fundament, sondern präsentiert sich als Dialogpartner des Pianisten und Schlagzeugers. So bespielt Jormin seinen Kontrabass erst mit dem Bogen, wobei wir die Rosshaare auf den Stahlsaiten reiben hören, und dann mit den Fingern, wobei wir jedes Zupfgeräusch mit herrlicher Deutlichkeit und Natürlichkeit erleben. Wie beim Schlagzeug und beim Klavier sorgt dies für ein Wie-echt-Gefühl. Jormin bespielt alle Lagen seines Instruments, so hören wir die ganze tonale Bandbreite, die der Kontrabass bieten kann – von nasal über knurrend …
Geräumige Abbildung
… bis sonor-raumfüllend in den unteren Lagen. Diesen Tiefgang liefert das Model 10 mit genau richtig dosierter Durchsetzungskraft und Voluminösität, ohne den Bass zu forcieren oder dick aufzutragen. All dies registrieren wir, weil der Verstärker für eine größenrichtig-geräumige Abbildung der Auditorium-Bühne sorgt und den Musikern hier auch mit großzügiger Tiefenstaffelung reichlich Platz zur Entfaltung gibt. Beim Ausprobieren mit den Möglichkeiten des Model 10 stellen wir fest, dass die optimale Klangqualität wirklich bei der Überbrückung der Klangregelung im „Source Direct“-Modus und bei der Nutzung der symmetrischen Eingänge erreicht wird. Das so erreichte Plus an Präsenz und Dynamik kommt vielleicht noch mehr Musikstücken in Großbesetzung zugute: Bei Donald Fagens Jazzrock-Nummer „H Gang“, an dem 14 Musiker mitwirken, hat so die Bassdrum mehr Punch, die Schlagzeug-Snare mehr Schmackes, der Bass mehr Macht und Schubkraft, die gesamte Wiedergabe mehr Frische und die einzelnen Musiker und ihre Instrumente eine nochmals höhere Körperhaftigkeit und Materialität.
Souverän und reservenreich
Das erleben wir auch beim Wechsel zu anderen Lautsprechern. Dabei liefert das Model mit dem etwas fordernderen Standlautsprecher Epos Es-28N sogar einen noch substanzielleren Bass und kontrolliert ebenso souverän und kraftvoll den Kompaktlautsprecher Radiant Acoustics Clarity 6.2, der jedem Amp richtig Power abverlangt und anderen Verstärker schon mal Grenzen aufzeigt. In diese Verlegenheit kommt das reservenreiche Model 10 schlichtweg nicht. Deshalb klingt die Wiedergabe auch hier selbst bei hohen Pegeln niemals komprimiert oder verengt. So bleibt das Model 10 auch in elektronischen Gefilden souverän, etwa bei den Infected Mushroom: Das israelische Psy-Trance-Duo präsentiert bei „Groove Attack“ eine ultraheftige Produktionen mit gleißenden Synthesizer-Sounds und harten Bässen, hämmernden Beats und reichlich Percussion-Gewitter. Das Model 10 liefert auch hier an allen Schallwandlern eine glasklare, präzise Power-Perfomance mit sattem Druck und einem Punch, der uns gehörig den Magen massiert.
Kultiviertheit und Kohärenz
Die wirkliche Kern-Kompetenz des Model 10 liegt aber woanders: Es ist die Kultiviertheit und Kohärenz, mit der dieser Verstärker agiert. Hier steht er klar in der Tradition des Marantz-Klangs: eher warm-entspannt und natürlich-stimmig als kristallin-hart und sezierend-brachial. Das hat das Model 10 bei Bobo Svensons intimer Trio-Besetzung gezeigt, ebenso bei Donald Fagens mannstarker, mit Instrumental- und Vokal-Assen gespickten „H Gang“ – und das beweist der Verstärker auch beim musikalischen Großformat: In der Londoner Henry Wood Hall singt Cecilia Bartoli, begleitet von der Academy of Ancient Music, Händels berühmte Arie „Lascia ch’io pianga“. Wieder erleben wir diese famose Räumlichkeit, die uns im Nu in diesen ehemaligen Kirchenraum und jetzigen Konzertsaal versetzt. Wieder erleben wir diese Plastizität und Prägnanz der Abbildung: Cecilia Bartoli steht als Almirena mit geradezu physischer Gegenwärtigkeit vor uns und trägt ihre berühmte Klage über die verlorene Freiheit so intensiv und innig vor, dass wir unwillkürlich die Luft anhalten.
Superbe Dreidimensionalität und Tiefenstaffelung
So hören wir jede noch so kleine Nuance ihres Gesangs: Ihre Lautstärkevariationen, die sich fein austariert und in kleinsten Abstufungen vom Pianissimo bis zum Mezzoforte erstrecken, die Endungen ihrer Gesangsphrasen, die sie mal mal verzierungsfrei singt, mal mit herrlichem Vibrato veredelt, das immer wieder dramatisch-pathetisch gerollte „R“, die herrlichen Registerwechsel und die klug gewählten Phrasierung – und dazwischen die zarten Atmer für die nächste Gesangslinie. Wir sind der Weltklasse-Sopranistin ganz nah – und so zieht uns Cecilia Bartoli in ihren Bann. Auch die Orchesterabbildung ist dank der abermals superben Dreidimensionalität und Tiefenstaffelung großartig. Dank der exzellenten Auflösung hören wir jedes Instrument – und das ist in diesem Fall ein besonderer Genuss, weil die Academy of Ancient Music auf historischen Instrumenten spielt. So hören wir den warm-sonoren Saitenklang der Theorbe, die Bartolis Gesang mit arpeggierten Akkorden begleitet, während uns in den Zwischenspielen dann die herrliche Silbrigkeit des Cembalos fasziniert.
Kopfhörer-Wiedergabe mit sonorer Rundheit
Das hören wir uns nun noch einmal per Kopfhörer an. Das Model 10 bietet dafür ja einen eigenen, diskret aufgebauten Verstärker. Das ist prima, denn bei vielen Vollverstärkern ist die Phones-Funktion eher preiswert-unaufwändig als Abzweig vom Lautsprechersignal realisiert. Wie sehr sich der hier betriebene Aufwand gelohnt hat, hören wir nun mit dem geschlossenen Dan Clark E3, der als Magnetostat eine Impedanz von 27 Ohm und eine Empfindlichkeit von 90 Dezibel hat, und dem offenen Beyerdynamic DT 1900 Pro, der als elektrodynamischer Kopfhörer mit 250 Ohm eine mittelhohe Impedanz und eine Empfindlichkeit von 102 Dezibel aufweist: Der Kopfhörerverstärker kommt mit den verschiedenen Wirkungsgraden der Kopfhörer bestens klar und bewahrt in der Wiedergabe die sonore Rundheit, Auflösung und Darstellungskraft. So schwelgen wir auch hier in Bartolis betörendem Gesang und dem herrlichen historischen Klang des Orchesters, in dem berühmte Cremoneser Edel-Instrumente von Stradivari über Amati bis Guarneri zu hören sind.
Vinyl-Wiedergabe mit Ruheund Stimmigkeit
Testen wir schlussendlich den Phono-Vorverstärker. Hierfür schließen wir unseren Transrotor Dark Star an. Er ist zuerst mit dem MM-System Uccello ausgestattet. So hören wir Patricia Barbers Version von „The Thrill Is Gone“ vom Album „Cafe Blue“, das wir in der superben MFSL-Pressung besitzen. Die Sängerin und Pianistin wird von Bass und Schlagzeug begleitet – und so wunderbar ihre jazzige Interpretation des Standards ist so, vorzüglich ist die akustische Wiedergabe: Auch hier punktet das Model 10 mit Ruhe, Reinheit und Stimmigkeit, mit selbstverständlicher Natürlichkeit, ausgezeichneter Räumlichkeit und Plastizität. All dies lässt sich noch steigern: Nun kommt das MC-System Goldring Ethos unter die Plattenspieler-Headshell. Zur MC-Impedanzanpassung bietet die Phono-Vorstufe mit 33, 100 und 390 Ohm praxisgerechte Wahlmöglichkeiten. Prompt gewinnt die Wiedergabe an jener Offenheit, Luftigkeit und Weiträumigkeit, für die wir MC-Systemen so lieben – und nach wie vor glänzt der Phono-Verstärker mit den tonalen Marantz-Tugenden, die diesen Test zum Genuss gemacht hat.
Fazit
Das Marantz Model 10 präsentiert sich als fantastischer Vollverstärker: Es imponiert mit seinem edel-eleganten, luxuriös-Look, dem kompromisslos massiven Materialeinsatz, der perfekten Fertigungsqualität und einem Aufbau, der ein konstruktives Kunstwerk ist. Technisch glänzt der Verstärker mit seinem durchgängig vollsymmetrischen Dual-Mono-Design, einer neuen Generation der ausgezeichneten HDAM-Verstärkermodule und einer frisch entwickelten Class-D-Endstufensektion. Mit ihr erreicht das Model 10 satte 250 Watt pro Kanal und ist damit das leistungsstärkste jemals gebaute Marantz-Kraftwerk. Klanglich vertritt dieser Verstärker mit Exzellenz die tradierten Marantz-Ideale: Er liefert eine sonore, runde Wiedergabe, die mit traumhafter Kultiviertheit und überragender Kohärenz beeindruckt und auf Anhieb ein „So ist es richtig“-Gefühl vermittelt. Die Wiedergabe ist herrlich sauber, klar und rein. Die Darstellung besitzt eine vorzügliche Räumlichkeit und Tiefe. Die Abbildung der Musiker hat eine geradezu atemberaubende Präsenz und Plastizität. So beweist das Model 10 mit Bravour, dass es in puncto Klang, Leistung, Technik und Design das neue Marantz-Maß der Dinge ist.
Test & Text: Volker Frech
Fotos: Simone Maier
Klasse: Luxury-Klasse
Preis/Leistung: angemessen

Technische Daten
Modell: Marantz
Model 10
Produktkategorie: Vollverstärker
Prinzip: Transistorverstärker, Dual-Mono-Aufbau, Class AB
Preis: 14.500,00 €
Garantie: 2 Jahre (5 Jahre bei Registrierung)
Ausführung: Champagner, Schwarz
Vertrieb: D&M Germany GmbH, Nettetal
Tel.: +4921571373707
www.marantz.com/de-de/
Abmessungen (HBT): 192 mm x 440 mm x 473 mm
Gewicht: 33,8 kg
Eingänge: 1 x Phono MM/MC unsymmetrisch (Cinch)
2 x Line symmetrisch (XLR)
3 x Line unsymmetrisch (Cinch)
1 x Power Amp In symmetrisch (XLR) sowie unsymmetrisch (Cinch) (für Anschluss eines Vorverstärkers)
1 x Remote Control (für externen IR-Empfänger oder Zusammenschluss mit Marantz Link 10 n bzw. Sacd 10)
1 x Flasher IR In (für Steuerungsbox oder Steuerungsgerät)
Ausgänge: 1 x Recorder Out, ungeregelt, unsymmetrisch (Cinch)
1 x PreAmp Out, geregelt, symmetrisch (XLR) sowie unsymmetrisch (Cinch) (für Anschluss einer Endstufe)
2 x Lautsprecher
1 x Remote Control
Ausgangsleistung: 2 x 250 W an 8 Ω (20Hz-20kHz,THD 0.05 %)
2 x 500 W an 4 Ω (20Hz-20kHz,THD 0.05 %)
(Herstellerangabe)
Lautsprecherimpedanz: 4-16 Ω
Frequenzgang: 5 Hz - 60 kHz ( 0 dB / - 3 dB)
20 Hz - 20 kHz (0 dB / - 0,3 dB)
(Herstellerangabe)
Klirrfaktor: 0.005% (125 W,8 Ω, 20-20 kHz) (Herstellerangabe)
Phono: Eingangsempfindlichkeit:
- MM: 3.6 mV / 36 kΩ
- MC (Gering): 400 μV / 33 Ω
- MC (Mittel): 400 μV / 100 Ω
- MC (Hoch): 400 μV / 390 Ω
RIAA-Abweichung: 20 Hz - 20 kHz ±0.5 dB (MM/MC)
Max. Eingangsspannung:
- MM : 80mV
- MC : 8mV
(Herstellerangabe)
Kopfhörer-Ausgangs-Level: 130 mW / 32 Ω (Herstellerangabe)
Geräuschspannungsabstand: - Phono MM: 88 dB
- Phono MM: 76 dB
- Line symmetrisch: 122 dB
Stromverbrauch: - Betrieb: 270 W
- Standby 0,1 W
(Herstellerangabe)
Lieferumfang: - Marantz Model 10
- System-Fernbedienung + Batterien (2 x AAA)
- Netzkabel (2,0 m)
- Kurzanleitung
- Bedienungsanleitung als PDF-Download (Deutsch)
- Echtheitszertifikat (Englisch, Französisch)
- Sicherheitshinweise (Englisch))
- Garantiekarte
Pros und Contras: + edel-elegantes, luxuriöses Design
+ superbe Material- und Verarbeitungsqualität
+ exzellente Komponenten-Qualität
+ sonore Wiedergabe mit traumhafter Kultiviertheit und überragender Kohärenz
+ herausragende Klarheit, Reinheit und Ruhe
+ ausgezeichnete Auflösung und Transparenz
+ atemberaubende Präsenz und Plastizität vom Musikern und Instrumenten
+ immersive räumliche Abbildung
+ ausgezeichnete Impulstreue und Feindynamik
+ kraftvolle, reservenreiche Wiedergabe
+ treibt auch impedanzkritische/fordernde Lautsprecher mühelos an
+ Phono-Modul (MM und MC) mit diskret aufgebautem HDAM-Verstärker und drei Impedanzwahl-Möglichkeiten
+ Kopfhörer-Verstärker mit diskret aufgebautem HDAM-Verstärker
+ 2 Lautsprecher-Ausgänge
+ Source Direct-Funktion zur Überbrückung der Klangregelung
+ Recorder Out für Anschluss eines analogen Aufnahmegeräts
+ Vorverstärkereingang
+ Vorverstärkerausgang
+ Endstufen-Direkteingang mit Vorverstärker-Bypass
+ Bi-Amp-Modus (Mono-Brückung für Betrieb mit zweitem Model 10)
+ Fernbedienung
+ sehr gute Bedienungsanleitung
- Lautsprecheranschlüsse haben keine A/B-Umschaltung
Benotung:
Gesamtnote: 100+
Klasse: Luxury-Klasse
Preis/Leistung: angemessen
Getestet mit: - Plattenspieler: Transrotor Dark Star
- Streaming-Vorstufe: Lumin P1 Mini
- Lautsprecher: Audio Physic Midex, Epos ES-28N, Radiant Acoustics Clarity 6.2
- Signalkabel: Audioquest Black Beauty XLR, Audioquest Black Beauty RCA
- Lautsprecherkabel: Audioquest Rocket 88
- Netzkabel: Audioquest Monsoon
- Musik-Streamingdienst: Qobuz