Home » Tests » HiFi/Stereo » ASW Cantius 412 – Ehrlicher Arbeiter im Sonntagsanzug
1. März 2015
von Martin Sowa
RedakteurDer Begriff der „deutschen Wertarbeit“ beschreibt vor allem hochqualitative Erzeugnisse aus der heimischen Industrie. Er beinhaltet aber auch ein hohes Maß an Präzision und damit ehrliche Arbeit, die zu einem wesentlichen Anteil nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch mit Einsatz und vor allem Stolz erledigt wird.

So sieht die Folge hochwertigen Handwerks aus: die Cantius 412 erstrahlt in perfekt verarbeitetem Hochglanz-Furnier.
In Städten wie meinem Heimatort Rheinhausen (mittlerweile ein Stadtteil von Duisburg) gab es früher in der industriellen Hochzeit jede Menge Männer, die unter der Woche loyal und ehrlich ihrer harten Arbeit im Stahlwerk, auf der Zeche oder der eigenen Werkstatt nachgingen. Am Sonntag aber wurden die groben Arbeitshosen und -hemden beiseitegelegt und der gute Anzug aus dem Schrank geholt. An diesem freien Tag gehörte das Leben der Familie und Freunden, Ausflüge oder ein Besuch im Tanzlokal gehörten zur Freizeitgestaltung. Ob sich jemand bei ASW an diese Zeit erinnert hat, als die Cantius 412 entwickelt wurde, weiß ich nicht. Es ist aber gut möglich, denn auch Vreden, der Heimatort von ASW, und Ahaus, aktueller Firmensitz, waren im 19. Jahrhundert und bis zum Zweiten Weltkrieg vor allem für ihre Handwerks-Industrie bekannt. Ob das letztlich eine Rolle bei der Entwicklung der Cantius 412 gespielt hat, sei dahingestellt – sicher ist, dass dieser Lautsprecher wie kaum ein anderer die ehrliche Arbeit mit dem feinen Sonntagsanzug verbindet.

In der Front sorgen die beiden 150-mm-Karbonmembranen und die dazwischen hinter einem Schutzgitter eingesetzte Seidenkalotte für Hingucker.
Auswahl für jeden Geschmack
Dass bei ASW auch viel Wert auf die Optik gelegt wird, ist ja bereits aus diversen Tests bekannt. Seit 1987 entwickelt ASW eigene Lautsprecher, im Vordergrund stehen dabei neben dem Spaß an unverfälschter Musik ein gutes Design, das durch sauberes Handwerk erreicht wird. Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich mir die schlanke Opus L14 genauer ansehen dürfen und kann bis heute voller Überzeugung sagen, dass dieser eher schlicht in mattem Weiß und Schwarz gehaltene Lautsprecher meinen Geschmack exakt getroffen hat. Viel mehr kann da eigentlich gar nicht kommen, dachte ich. Aber weit gefehlt! ASW fährt nämlich ein riesiges Angebot an Dekoren und Farben für seine Lautsprecherserien auf – insgesamt hat der Kunde die Wahl aus insgesamt über 32 verschiedenen Oberflächen aus den Kategorien Furnier, Schleiflack und Hochglanz. Da findet sich für jedes Ambiente das Richtige. Neben den von mir persönlich favorisierten schlichten Ausführungen gibt es natürlich auch Optiken der höchst edlen Kategorie. So auch bei dem Paar Cantius 412, das uns zum Test geschickt wurde. Hier wurde das Gehäuse mit dem Furnier „Eiche maron“ versehen und anschließend mit Klarlack veredelt. Die Maserung des Holzes tritt sehr deutlich hervor und die spiegelnde Oberfläche spricht für ein hochklassiges Finish. Tatsächlich habe ich einige Minuten damit verbracht, nach unsauberen Ecken oder sonstigen handwerklichen Fehlern zu suchen – keine Chance. Die Cantius 412 ist wie von ASW gewohnt mit höchster Präzision verarbeitet. Selbst die abgerundeten Ecken weisen keinerlei Unebenheiten auf, nirgendwo steht etwas auch nur einen Millimeter ab. Diese hervorragende Arbeit wird übrigens komplett in Deutschland geleistet und das zu durchaus attraktiven und fairen Preisen. Die ASW Cantius 412 ist je nach Ausführung ab einer UVP von 699 Euro pro Stück (Schleiflack-Varianten) zu haben. Ein Lautsprecher in der Furnier-Ausführung kostet 739 Euro, inklusive Hochglanz-Veredelung wie bei unserem Testobjekt sind 909 Euro pro Stück fällig.

ASW liefert massive Spikes mit, die sich dank leichtläufigem Gewinde problemlos im Gehäuseboden eindrehen lassen.
Die glatte Holz-Oberfläche wird an der Front nur von der magnetisch befestigten, feinmaschigen Stoffabdeckung unterbrochen. Diese versteckt die beiden 150-mm-Karbonmembranen und die dazwischen eingesetzte Seidenkalotte. Allerdings habe ich die Abdeckung noch während des Auspackens zur Seite gelegt und nur für ein Foto noch einmal zur Hand genommen. Denn obwohl auch diese Blende durchaus sehr fein verarbeitet und hervorragend gelungen ist, überzeugen die Membranen dahinter noch mehr. Denn die Kalotte des Hochtöners ist durch ein Gitter effektiv geschützt, das zudem durch seine Wölbung nach außen für einen hübschen und dezenten Kontrast zu den nach innen gewölbten Karbonmembranen sorgt. Dementsprechend haben wir es also mit einem Zwei-Wege-System zu tun, das unten auf der Rückseite durch ein Bassreflexrohr im Tieftonbereich unterstützt wird. Wirft man hier einen Blick ins Innere der Standlautsprecher erkennt man sofort den großzügigen Einsatz von Dämmmaterial, das Schallreflexionen im Inneren des Gehäuses verhindert.
Darunter sind die Anschlüsse für die Lautsprecherkabel zu finden. ASW hat massive Schraubklemmen verwendet, die die Inbetriebnahme sehr einfach machen. Wer Bi-Wiring nutzen möchte (also zwei Kabelpaare für die getrennte Ansteuerung von Tiefon und Hochton einsetzen), kann dies bei der Cantius 412 tun. Damit die beiden 93 Zentimeter hohen Lautsprecher sicher stehen, liefert ASW massive Spikes mit, die sich dank leichtläufigem Gewinde (Stichwort Präzision!) problemlos im Gehäuseboden eindrehen lassen. Der kleine Metallstift, der ebenfalls beiliegt, dient zur Höhenjustage, wenn die Cantius 412 an dem ihr zugedachten Platz steht. Damit übrigens der Boden nicht beschädigt wird (insbesondere bei Parkett oder Teppich) gibt es passend zu den Spikes auch kleine Tellerchen, die den Untergrund vor den spitzen Füßchen schützen.

Für den Anschluss der Kabel hat ASW für Bi-Wiring ausgelegte Schraubklemmen verwendet.
Mühelos zum perfekten Klang
Ist alles an seinem Platz, kümmern wir uns endlich ums Wesentliche: den Klang. Den Anfang machen wir gemäß dem ersten Eindruck mit ehrlicher, handgemachter Musik. Das heißt natürlich, dass wir uns im Genre Singer/Songwriter bedienen. Wie schon oft darf Chuck Ragan mit seinem aktuellen Album „Till Midnight“ als Erster ran. Schon nach wenigen Takten strömt seine tiefe, rauhe Stimme äußerst voluminös und ohne jede Form der sowieso nicht gewünschten Schönfärbung aus den beiden 412. Der Gesang ist extrem detailliert und so klar wie ich es bislang noch nicht gehört habe. Der US-Amerikaner diente ja bereits des Öfteren als Messlatte für die Qualitäten der getesteten Lautsprecher und so richtig etwas auszusetzen hatte ich bislang noch nicht – dafür gefällt mir die Musik auch einfach viel zu gut. An ein derart unverfälschtes Klangbild kann ich mich aber beim besten Willen nicht erinnern. Klarer Pluspunkt also für die ASW-Lautsprecher.
Den kompletten Gegensatz zum Reibeisen Ragans möchte ich natürlich auch ausprobieren und lasse nun die bermudische Musikerin Heather Nova ein paar ihrer Lieder vortragen. Zum Auftakt wähle ich den Titel „Heart and Shoulder“ vom Album „Siren“. Hier zeigt sich, dass die Cantius-Boxen nicht nur den kraftvollen Gesang von Ragan beherrschen, sondern auch die wesentlich gefühlvolleren und von breiterem Spektrum gekennzeichneten Melodien Novas mit größter Spielfreude begleiten. Auch hier ist von irgendeiner Form der Verfärbung keine Spur und alle eingesetzten Instrumente lassen sich sehr schön und präzise auf der virtuellen Bühne platzieren. Die Stimme steht dabei stets im Mittelpunkt und bleibt selbst bei den hohen Oktaven, die Heather Nova ja des Öfteren erreicht, kristallklar und gerät nicht einmal ansatzweise ins Schwanken. Auch wenn das sicherlich keine leichte Aufgabe ist, erledigt die Cantius 412 diese Arbeit völlig klaglos und lässt sich etwaige Anstrengungen überhaupt nicht anmerken. Dasselbe gilt für das etwas weniger melodiöse und gesangsorientiertere „Like Lovers Do“ vom Album „South“, das den hervorragenden Eindruck manifestiert.

Auf der Rückseite sorgt ein Bassreflexrohr für Unterstützung im Tieftonbereich.
Da ich bei der Opus L14 vor allem Rockmusik für den Hörtest genutzt habe, schicke ich dieselben Titel auch bei der Cantius 412 noch einmal ins Rennen. Dabei handelt es sich um das Album „Only Revolutions“ von „Biffy Clyro“ und das noch mehr krachende „Awake“ von „Godsmack“. Auch das funktioniert insofern ganz wunderbar, als dass auch hier nichts weichgespült oder sonstwie verfremdet wird. Stattdessen dürfen die verzerrten Gitarren richtig die Sau rauslassen und vor allem die Tieftonsequenzen bei Godsmack bringen ein schönes, dunkles Grollen in den Hörraum. Dabei steht allerdings die Rhythmusfraktion trotz der wirklich punktgenauen und knallharten Darstellung nie unangenehm im Vordergrund und Stimmen und Melodien bleiben stets dominant. Allerdings habe ich ein bisschen das Gefühl, dass im wirklich wuchtigen Metal-Bereich das letzte Quäntchen Explosivität fehlt, um mich von der Opus L14 als meinem Favoriten zu verabschieden. Nun wird der ein oder andere sicherlich einwenden, dass diese Art von Lautsprechern ja für Musik gemacht wurde und nicht für den „Krach“, den die jungen Leute heutzutage so hören. Das ist natürlich wieder die berühmte Geschmacksfrage – auch wenn ich gerne zugebe, dass sich die ASW Cantius 412 wohl tatsächlich eher für gemäßigtere Musikfreunde eignet als für überzeugte Rocker oder Metal-Fans. Ein Vorschlag zur Güte: Wer das letzte bisschen Intensität vermisst, sollte vielleicht einmal dem Flaggschiff der Cantius-Serie, der ebenfalls schon von uns getesteten 612, sein Ohr leihen. Diese arbeitet nämlich nach dem noch detaillierteren Drei-Wege-System und konnte zum Beispiel bei der Wiedergabe der Rockmusik von AC/DC auf voller Linie überzeugen.

Die feinmaschige Stoffabdeckung wird magnetisch an ihrem Platz auf den Membranen gehalten.
Fazit
Ehrlich und loyal erledigt die Cantius 412 von ASW ihren Job auf extrem hohem Niveau. Klanglich ist die enorme Präzision und die unverfälschte Wiedergabe äußerst beeindruckend. Das in härteren Gangarten fehlende Quäntchen Explosivität kann die tatsächliche Zielgruppe sicherlich verschmerzen. In Sachen Verarbeitung hat ASW wie gewohnt exzellente Arbeit geleistet und ein wunderschönes Paradebeispiel für die Möglichkeiten des Lautsprecherbaus gezaubert.
Test, Text und Fotos: Martin Sowa
Klasse: Oberklasse
Preis-/Leistung: sehr gut
92 of 100
95 of 100
96 of 100

Technische Daten
Modell | ASW Cantius 412 |
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Produktkategorie: | Standlautsprecher |
Preis: | - 699 Euro/Stück (Schleiflack) - 739 Euro/Stück (Furnier) - 909 Euro/Stück (Furnier + Hochglanz-Veredelung) |
Ausführungen: | Schleiflack, Furnier, Furnier + Hochglanz-Veredelung |
Vertrieb: | ASW, Ahaus Tel.: 02561 / 6879292 www.asw-lautsprecher.de |
Abmessungen (HBT): | 930 x 180 x 300 mm |
Gewicht: | 15,2 kg |
Bauart: | 2-Wege-System mit Bassreflexport |
Hochtöner: | 25-mm-Seidenkalotte |
Tieftöner: | 2 x 150 mm Carbon-Fiber-Membran / Phase-Plug |
Frequenzbereich: | 42 - 30.000 Hz (Herstellerangabe) |
Lieferumfang: | Spikes, Justage-Stift, Bedienungsanleitung |
Benotung: | |
Klang (60%): | 1,1 |
Praxis (20%): | 1,0 |
Ausstattung (20%): | 1,0 |
Gesamtnote: | 1,1 |
Klasse: | Oberklasse |
Preis-/Leistung | sehr gut |