Home » Heimkinopaket » AVID DIVA II SP – Clever konstruiert auf dem Weg zur Plattenspieler-Legende
1. Juli 2016von Jonas Bednarz
RedakteurSchallplatten und Plattenspieler sind wieder in aller Munde. Wer aus audiophiler Sicht etwas auf sich hält, der hört Musik von Vinyl. Seien es die aufgehobenen, alten Schätzchen aus dem letzten Jahrhundert oder aktuelle Scheiben, denn inzwischen gibt es kaum noch Erstveröffentlichungen aktiver Künstler, die nicht auch auf Vinyl gepresst werden. Eine erfreuliche Entwicklung für Musikfans, Audiophile und Hipster und insbesondere für alle, die der Schallplatte auch in den vergangenen dreißig Jahren die Treue gehalten haben. Wie beispielsweise Conrad Mas.
Der charismatische Brite, ich hatte letztes Jahr erstmals die Gelegenheit ihn persönlich kennen zu lernen, ging mit seiner Firma AVID 1995 an den Start. In einer Zeit also, als die Schallplatte in der öffentlichen Wahrnehmung faktisch bereits gestorben war. Aus heutiger Sicht eine goldrichtige Entscheidung, aus damaliger wohl nur durch puren Enthusiasmus zu erklären. Eben dieser Enthusiasmus ist auch heute noch zu spüren, wenn man Conrad trifft und ihn über die analoge Musikwiedergabe und natürlich sein „(A) Very Interesting Design“ reden hört, das hinter dem Firmennamen AVID und seinen Hi-Fi-Komponenten steckt. Interessant ist neben dem Konzept auch die Geschichte seiner Plattenspieler, deren Entwicklung bereits in den 80er-Jahren begann – und zwar computergestützt an einem Rechner, der Conrad nur stundenweise und das auch nur in der Nacht zur Verfügung stand. In einer Zeit, als Heimcomputer noch eine Seltenheit darstellten und so phantastische Dinge wie computer-aided design (CAD) ausschliesslich solventen Konzernen oder Universitäten vorbehalten waren. Gerade für ein, damals offiziell noch nicht einmal gegründetes, Ein-Mann-Unternehmen eine absolute Besonderheit. Der Lohn dieser Mühen war ein vergleichbar schneller Erfolg in der analogen HiFi-Szene. Einer, der bis heute anhält, denn AVID-Produkte erfreuen sich weiterhin wachsender Beliebtheit – und das völlig zurecht. Dabei stellt der DIVA II SP das ursprünglich kleinste Modell der hauseigenen Good/Better/Best-Reihe dar. Nach diesem Schema werden AVID-Geräte nämlich entwickelt:
Zunächst wird das technisch Machbare ausgelotet. Bei den Plattendrehern geschah das mit dem „Acutus Reference SP“. Anschließend wird das entsprechende Konzept schrittweise so weit vereinfacht, bis sich eine breite Modellpalette in die verschiedenen Preisbereiche ergibt. Die DNA der großen Modelle bleibt auf diese Weise aber selbst in den günstigeren Geräten erhalten. Das ist zum Beispiel zu erkennen an Subchassis und Tellerlagern, die alle Modelle – angefangen beim Reference bis zum DIVA II – im Kern gemeinsam haben. Lediglich der günstige Ingenium, den wir hier auch schon genauer betrachtet haben, macht da eine Ausnahme. Darüber hinaus sind die Unterschiede aber natürlich durchaus nennenswert. Selbst die beiden, optisch sehr ähnlichen DIVAs, die in der Namensgebung lediglich durch das Kürzel „SP“ voneinander abweichen, unterscheiden sich in technischer Hinsicht deutlich voneinander.
A Very Interesting Design
Um die Konstruktion des DIVA II SP komplett verständlich zu erklären, muss ich etwas ausholen: Während Hersteller konventioneller Subchassis-Plattenspieler, beispielsweise die Marken Linn oder Thorens, ihr Subchassis mit der Aufgabe betrauen äußere Einflüsse vom Abtastvorgang fern zu halten, steckt hinter den AVID-Plattenspielern ein gegenteiliges Kalkül: Die hier entstehenden Vibrationen sollen durch Schallplatte, Tonarm, Plattenteller, Lager und Chassis, möglichst schnell in die Dämpfungselemente abgeleitet werden. Dadurch kann der Tonabnehmer ungehindert seiner Aufgabe nachkommen, also wirklich nur das in den Rillen steckende Signal aufnehmen und wandeln, statt auch noch hausgemachte Vibrationen mit auf die Reise zu schicken. Durch diesen Konstruktionsaufbau müssen alle Teile und Verbindungen zwischen den einzelnen Komponenten natürlich so ausgeführt sein, dass sie dieser Aufgabe möglichst gut nachkommen können. Aus diesem Grunde bildet ein pfeilförmig gestaltetes Subchassis aus Aluminium-Druckguss die Basis eines jeden AVID-Plattenspielers. Natürlich auch beim DIVA II SP. Dieses Bauteil ist das Herzstück der englischen Maschinen. Und schaut man sich dieses hervorragend gefertigte Gussteil einmal genauer an, wird schnell deutlich warum es in den vergangenen zwanzig Jahren nicht verändert wurde. Die aufwändige Konstruktion, die sich aus lauter Dreiecksflächen zusammensetzt, könnte nämlich kaum stabiler, verwindungssteifer und damit zweckmäßiger ausfallen. In der Mitte des „Pfeils“ sitzt das invertierte Tellerlager, das an seiner Spitze eine Kugel aus Wolframkarbid trägt, auf die der äußere Teil des Lagers aufgesetzt wird. Besagte Kugel ist, in Verbindung mit einer Lagerpfanne aus Saphir, der einzige vertikale Kontakt zwischen dem immerhin gut sechseinhalb Kilogramm schweren Aluminium-Plattenteller und seinem Unterbau. Durch die Konzentration auf eine extrem kleine Lagerfläche werden Vibrationen aus dem Teller optimal in das Chassis abgeleitet. In den Teller gelangen sie über die verklebte Kork-Matte, auf der die Schallplatte mittels der charakteristischen AVID-Plattenklemme fixiert wird. Dabei gilt: „the tighter, the better“, denn nicht nur Vibrationen werden durch das Festspannen der Platte abgeleitet, auch kleinere Höhenschläge im Vinyl werden zumindest temporär beseitigt. Neben dem Weg über Schallplatte und Teller, können Vibrationen aber noch einen zweiten Weg einschlagen: Den über den Tonarm. Damit sie auch hier schnell abgeleitet werden, präferiert Conrad Mas Tonarme mit festem Headshell, wie beispielsweise die von Rega oder die großen SME „IV“ und „V“. Auf meinem Testmodell kommt hingegen ein SME 309 zum Einsatz. Dieser ist zwar mit einem Wechsel-Headshell ausgestattet, dieses ist aber formschlüssig mit dem Tonarmrohr verbunden und nicht einfach nur geklemmt, wie bei vielen anderen Armen üblich. So gibt es auch an dieser Stelle keine Probleme mit der Ableitung störender Schwingungen. Durch den Tonarm geht die Reise dann in die Armbasis, die ihrerseits bereits Teil des Chassis ist. Sie stellt, bildlich gesprochen, den Schaft des Pfeils dar.
AVID DIVA II SP: Clever konstruiert
Im Chassis angekommen, werden beschriebene Schwingungen dann direkt in die drei Standfüße abgeführt. Im Inneren dieser Füße befinden sich dreistufig aufgebaute Dämpfungselemente aus einem Elastomer, in denen Vibrationen in Wärme umgesetzt werden. Durch diese geschickte Konstruktion werden sowohl beim Abtastprozess entstehende Störungen eliminiert, wie auch Einflüsse von außen abgehalten. Das lässt sich leicht überprüfen, in dem man bei aufgesetzter Nadel und stillstehendem Plattenteller auf das Rack klopft. Der AVID DIVA II SP zeigt sich von dieser „Störung“ absolut unbeeindruckt.
Um auch den Einfluss des kräftigen Motors fernzuhalten, ist dieser in einer separaten Motordose untergebracht. Sie besteht ebenfalls aus Aluminium, ist erstaunlich schwer und wird zur Trennung vom Chassis noch mittels Silikonfüßchen vom Untergrund entkoppelt. Die einzige Verbindung zum Plattenspieler stellen die beiden Riemen dar, die den Plattenteller für das Auge unsichtbar auf der Unterseite antreiben. Der kräftige Motor mit Doppelriemen-Antrieb ist ebenfalls elementarer Bestandteil der AVID-Philosophie, denn Conrad Mas vertraut „lieber auf einen kräftigen Motor, als auf Gott“, um den Plattenteller auf Solldrehzahl zu halten. Damit das auch möglichst akkurat geschieht, darf am Netzteil selbstverständlich nicht gespart werden. Und am Netzteil des DIVA II SP ist natürlich nicht gespart worden. So wird die Wechselspannung zum Betrieb des Motors im Netzteil komplett neu generiert, statt sich an der Netzfrequenz zu orientieren. Dabei wird rausch- und verzerrungsarm auf das nötige Niveau verstärkt. Auch der Komfort kommt nicht zu kurz: Der Wechsel von 33 auf 45 Umdrehungen geschieht selbstverständlich bequem auf Knopfdruck. Eine Möglichkeit zur Feinregulierung der Drehzahl ist natürlich ebenfalls gegeben. Dafür braucht es dann zusätzlich eine Stroboskop-Scheibe oder eine Smartphone-Applikation, wie die App „rpm“.
Apropos Komfort: Einmal mehr habe ich während des Tests festgestellt, dass der SME 309 wirklich gar nicht weit davon entfernt ist „the best pick-up arm in the world“ zu sein, wie es ein bisschen großspurig auf dem Karton heißt. Denn wer jemals einen SME-Arm montiert und justiert hat, will nie wieder etwas Anderes!
Unendliche Möglichkeiten
Damit wären wir dann auch beim spannendsten Teil des Checkups, dem Praxis- und Hörtest. Dieser lief diesmal allerdings etwas anders ab als gewohnt, da ich neben dem DIVA II SP noch die „einfache“ Version des DIVA zur Verfügung hatte – meinen privaten Plattendreher, mit dem ich in meiner Freizeit höre. Möglicherweise bin ich also nicht ganz unvoreingenommen, was die Qualität von AVID-Plattenspielern angeht. Zugleich eine tolle Gelegenheit den DIVA II schrittweise zum DIVA II SP aufzurüsten, um jegliche Veränderung tatsächlich nachvollziehbar zu machen. Zunächst beginne ich damit, den DIVA um das größere Netzteil zu erweitern. Ein Vorgang, der mich ob der deutlichen Veränderung im Klang in Erstaunen versetzt und sich in feiner aufgelösten Höhen und deutlich mehr Kontur im Bass darstellt. Zugleich halbiert sich die Schwankungsbreite um die Solldrehzahl auch messbar, was sich mittels Smartphone-App „rpm“ graphisch sehr schön darstellen lässt. Als nächstes wechsele ich vom leichten Holz-Plattenteller auf den schweren Aluminium-Teller und das zugehörige Lager des „SP“. Eine Angelegenheit, die durch die beiden verdeckten, direkt auf den Teller wirkenden Riemen durchaus fummelig sein könnte. Ist sie aber dank einer cleveren Lösung der Briten nicht:
Die beiden Riemen werden an einem kleinen Stift, der außen in den Teller gesteckt wird, vorgespannt. So legen sie sich um das Motorpulley, sobald der Plattenteller aufgesetzt und um ein paar Zentimeter gedreht wird. Anschließend wird der Stift vorsichtig entfernt, fertig. Nun also Platte auflegen, Klemme festziehen und „Play“ drücken. Die beiden Riemen nehmen nun begeistert ihre Arbeit auf, quietschen einmal kurz vor Freude und beschleunigen den Teller innerhalb von ca. zwei Sekunden auf Nenndrehzahl.
Meine Ohren freuen sich ebenfalls, denn besonders im Bass verbessern sich Durchzug und Dynamik nun merklich. Und auch höhere Tonlagen gewinnen deutlich vom Teller mit höherer Massenträgheit und erscheinen nochmals präsenter und sauberer. Und während ich bei meinem Diva – mit kleinerem Netzteil und Holzteller – noch gelegentlich unsauber ausschwingende Töne feststellen kann, sind dem SP solche „Nachlässigkeiten“ absolut fremd! Mit stoischer Ruhe zieht der große DIVA nun unbeirrt seine Kreise. Beeindruckend! Fehlt also noch der Tonarm. Der Wechsel gelingt durch die tolle Anleitung und die tatsächlich einfache Justage spielerisch, so dass ich nach wenigen Minuten auch gleich weiterhören kann. Beim Weiterhören geht mir dann ein Licht auf, denn nun scheint das Paket wirklich komplett. Der SME 309 passt mit seiner natürlichen und völlig leichtfüßigen Spielweise perfekt zum quirligen aber durchzugsstarken AVID DIVA. Im direkten Vergleich zum Rega RB301 löst sich der Klang noch einmal merklich von den Lautsprechern und steht nun tatsächlich frei im Raum. Selbst feinste Nuancen, wie das Ausschwingen von Gitarrensaiten, bildet die Kombination aus DIVA II SP und SME 309 detailliert und mit fast holographischer Räumlichkeit ab. Dafür braucht es nichtmal einen exorbitant teuren Tonabnehmer. Das altbekannte Denon DL103 oder das hervorragende Nagaoka MP-150 genügen hier völlig. So wurde Coldplays „A Rush Of Blood To The Head“ für mich zu einer echten Überraschung. Dieses Album besitze ich zwar schon seit Jahren, habe es aber schon ewig nicht mehr gehört, da ich es klanglich nie besonders mochte. In meiner Erinnerung bestand das Album aus einem undifferenzierbaren und bassarmen Klangbrei, gespielt aus einer nicht erkennbaren Anzahl an Instrumenten. „Typisches Coldplay-Geschrammel“, dachte ich immer. Was aber tatsächlich auf dieser Platte enthalten ist, erfahre ich nun erst durch den DIVA II SP, denn auf einmal ist doch Bass drauf und auch die verschiedenen Instrumente lassen sich plötzlich wunderbar differenzieren. Gitarre, Bass, Schlagzeug und Piano – alles da und fein säuberlich voneinander getrennt. Geschuldet ist Letzteres wohl der tollen Räumlichkeit, die alle AVID-Plattenspieler auszeichnet und die sie in ihrem Klangcharakter vereinen.
Zum Schluss noch eine gute Nachricht für alle Besitzer eines „normalen“ DIVA II (ohne SP): Es gibt ein Update auf den DIVA II SP! Und zumindest in meiner weiteren Hi-Fi-Planung ist das jetzt fest vorgesehen.
Fazit
Der AVID DIVA II SP ist eine Wucht von einem Plattenspieler. Optisch futuristisch gestaltet, technisch aussergewöhnlich und obendrein hervorragend verarbeitet, leistet er auch klanglich Großartiges. Besonders in Verbindung mit dem erstklassigen SME 309 ergibt sich eine Kombination, bei der man als Analog-Enthusiast schnell schwach werden kann.
Test & Text: Jonas Bednarz
Fotos: www.lite-magazin.de
Klasse: Spitzenklasse
Preis-/Leistung: sehr gut
98 of 100
95 of 100
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Technische Daten
Modell: | AVID DIVA II SP |
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Produktkategorie: | Plattenspieler |
Preis: | - AVID DIVA II SP: 4.000,00 Euro - SME 309: 2.550 Euro |
Garantie: | 2 Jahre |
Ausführungen: | - schwarz |
Vertrieb: | IDC Klaassen, Lünen Tel.: 0231 / 9 86 02 85 www.idc-klaassen.com |
Abmessungen (HBT): | 140 x 450 x 390 mm |
Gewicht: | 19,0 Kg |
Tonarm (optional): | SME 309 |
Tonabnehmer (optional): | - Denon DL103 - Nagaoka MP-150 |
Besonderes: | - innovatives Motorkonzept - Doppelriemenantrieb - exzellente Verarbeitung - zeitlos-futuristisches Design |
Benotung: | |
Klang (60%): | 1+ |
Praxis (20%): | 1,0 |
Ausstattung (20%): | 1,0 |
Gesamtnote: | 1+ |
Klasse: | Spitzenklasse |
Preis-/Leistung | sehr gut |