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29. Juli 2025
von Volker Frech
RedakteurEpos wird episch: Mit der ES-28N präsentiert die revitalisierte legendäre Schallwandler-Marke erstmals einen ausgewachsenen Standlautsprecher. Das dritte Modell im neuen Portfolio präsentiert sich als Drei-Wege-Konfiguration, bleibt trotz des Großformats dem Motto treu, dass ausgezeichneter Klang zu bezahlbaren Preisen machbar ist – und beweist Im lite-Test ein deutsches Sprichwort: Aller guten Dinge sind drei.

Aparter Auftritt: Die Epos ES-28N punktet mit markanter Front und wohlproportionierter Formgebung. In der Ausführung mit jadegrünem Finish ist dieser Lautsprecher ein echter Hingucker.
Was tut man, wenn man als Lautsprecher-Entwickler eigentlich schon alles gemacht hat und Know-How sowie Erfahrung von mehr als vier Dekaden besitzt? Genau: „Mal was Normales“. Das war zumindest eine Motivation von Karl-Heinz Fink, als er Epos übernahm. Fink ist eine Institution im internationalen Lautsprecherbau: Er hat bereits für verschiedenste namhafte Hersteller der Audio- sowie der Automobilbranche unzählige Schallwandler in allen Preisklassen entwickelt. Seine in Essen ansässige Fink Audio Consulting vereint eine Crew, die unter seiner Ägide mit viel Köpfchen sowie mit eigenen Messeinrichtungen und Simulationssoftware-Tools auch bei den komplexesten Akustik- und Schallwandlungsfragen Hilfe leistet. Mit dem FinkTeam hat er dann unter dem sportlichen Motto „Einfach ist ja langweilig“ die Referenz-Lautsprecher WM-4, Borg und Kim kreiert. Dann war es offenbar Zeit für was Neues – und da kam Epos gerade recht, auch weil Fink den gleichen Ansatz pflegt, den Epos-Gründer Robin Marshall vertrat: Grenzen erweitern und nicht die Vergangenheit kopieren.

Die ES-28N besitzt eine aufgesetzte, 50 Millimeter starke Schallwand. Sie besitzt zugunsten der optimalen Schallabstrahlung mehrere Abschrägungen. Optisch hebt sie sich sich vom Korpus zudem durch den Strukturlack und die Ziernut ab – und in der jadegrünen Lackierung auch durch den Kontrast in der Farbgebung.
Legenden-Revitalisierung
Mit diesem Credo hatte Marshall die von ihm 1983 gegründete britische Lautsprechermarke zu einem ebenso intensiven wie kurzfristigen Hoch geführt: Durch innovative Ideen belebte er den HiFi-Markt, mit der Epos ES-14 schuf er einen damals bestens verkauften und heute fast schon legendären Lautsprecher. Dann allerdings wurde es, nachdem Epos zuerst an Mordaunt-Short und dann an Creek Audio verkauft wurde, ziemlich still, bis Epos-Fan Karl-Heinz Fink die Marke 2020 kaufte und einen Neustart in Gang setzte – natürlich mit einer Revitalisierung der berühmten ES-14, die Fink, getreu dem Marshall-Motto, mit heutigem Know How und aktuellen Komponenten eher neu erfand als neu auflegte. Dieser großformatige 2-Wege-Kompaktlautsprecher ES-14N war das Highlight der High End 2022 – und der Auftakt für weitere Epos-Modelle. Mit der kleinen ES-7N kam zuerst eine Hommage an Musikelektronik Geithein-Gründer Joachim Kiesler und seine wirklich als Regalbox konzipierte BR 25, die der vermutlich meistproduzierte Schallwandler aus DDR-Zeiten ist.
Sandwich-Korpus für die Schwingungsresistenz
Mit der ES-28N folgt nun ein Lautsprecher, der einerseits ganz anders daherkommt: Sind die Serien-Schwestern Kompaktlautsprecher in Zwei-Wege-Auslegung, so ist die ES-28N ein Standlautsprecher in Drei-Wege-Konfiguration. Andererseits erweist sich die Verwandtschaft als eng: Auch diese Epos folgt dem einst von Robin Marshall und heute von Karl-Heinz Fink verfolgten Ansatz, dass man ausgezeichneten Klang zu bezahlbaren Preisen realisieren kann. Zudem ist hier in puncto Know-how, Konstruktion und Chassis-Bestückung vieles eingeflossen, was schon die kleineren Schwestern auszeichnet. Dies beginnt bereits beim Korpus. Fink setzt auch bei der ES-28N auf ein „Constrained Layer Damping“: Bei diesem Sandwich-Aufbau sind zwei MDF-Platten durch eine dämpfende viskose Schicht, die aus einem hochelastischen Kleber besteht, verbunden. Dieses Sandwich-Gehäuse ist deutlich vibrationsresistenter als ein massiver MDF-Korpus gleicher Wandstärke. Das „Constrained Layer Damping“ ist eine echte Fink-Spezialität, mit der der Entwickler auch schon die Borg oder die Q Acoustics Concept 500 ruhiggestellt hat.

Die ES-28N von vorne und hinten: Die leichte Neigung, die sie durch den geschrägten Sockel erfährt, sorgt optisch für eine Dynamik und akustisch für ein zeitrichtiges Eintreffen der von den verschiedenen Chassis abgestrahlten Schallanteile am Hörplatz.
Maximaler Aufwand für minimale Vibration
Bei der ES-28N ist allerdings im Gegensatz zu den kleineren Serienschwestern der Materialeinsatz und damit die Massivität erhöht: Die Wandstärke beträgt hier zweimal zehn Millimeter zuzüglich der dazwischenliegenden absorbierenden Dämpfungsschicht. Hinzu kommt eine auf die Front aufgeklebte sowie aufgeschraubte Schallwand, die 50 Millimeter dick ist. Kein Wunder, dass dieser Lautsprecher satte 34 Kilo auf die Waage bringt! Das Frontpaneel besitzt ein anderes Resonanzverhalten als der Korpus. Das verstärkt die Wirksamkeit der Dämpfung, die beim Sandwich-Gehäuse prinzipbedingt bei hohen und tiefen Frequenzen geringer ausfällt. Zur weiteren Vibrationsvermeidung sind schließlich gezielt an neuralgische Stellen Streben eingesetzt. Gezielt heißt: Ein Prototyp wird im Fink-Labor auch mittels Laser-Vibrometer vermessen, dann durch eine komplexe Software-Simulation analysiert und optimiert und schließlich durch intensive Hörtest perfektioniert. Diese Ausstattung, dieser Aufwand und diese Expertise sind in der Lautsprecher-Branche selten. So erklärt sich auch die komplexe Geometrie der Schallwand, die mit ihrer fraktalen Form abermals an die Borg erinnert.
Fraktale Front, attraktiver Korpus
Mit dieser Formgebung optimiert Fink das Abstrahlverhalten und reduziert unerwünschte Schallbrechungen an den Kanten. Diese markante Front ziert ein ansonsten dezentes Gesamtdesign mit klassisch-quaderförmigem Korpus. Dank des geschrägten Sockels, auf dem dieses Gehäuse thront, hat die ES-28N eine sanfte Neigung. Dadurch wird die richtige zeitliche Ausrichtung der Treiber erzielt. Der Sockel besitzt eine U-Form mit zur Vorderseite weisender Öffnung. So kann hier Luft abgestrahlt werden, selbst wenn der Lautsprecher ohne Spikes auf dem Boden steht. Die abgestrahlt Luft stammt aus dem Port, der in die Unterseite des Korpus eingelassen ist. Die ES-28N besitzt nämlich – nächste Verwandtschaft mit den kleineren Serienmodellen – eine Bassreflexabstimmung. Dazu später mehr. Der Sockel und das Schallwand-Paneel sind bei der ES-28N stets in schwarzem Strukturlack gehalten. Der Korpus hingegen wird wahlweise in ein Nussbaum-Furnier gekleidet oder lackiert – in Mattweiß, Mattschwarz oder, wie bei unserem Testmodell, in attraktivem Jadegrün, was den Lautsprecher zum Blickmagnet macht.

Im Hochton agiert eine 28 Millimeter durchmessende Kalotte, die dank ihrer Agilität bis hin zu 25 Kilohertz schallwandelt. Der Aluminium-Dom besitzt eine keramische Oberfläche. Zum Schutz der Membran sitzt der Tweeter hinter Gittern.
Flotte Kalotte im Hochton
Nun zu den Chassis: Hier lag es nahe, auf die Treiber der bereits bestehenden Modelle zurückzugreifen, in die Fink reichlich Gehirnschmalz und Entwicklungszeit investiert hat. So kommt im Hochton der gleiche Tweeter zum Zuge, der bereits in der ES-14N schallwandelt. Hier agiert, geschützt durch ein Metallgitter, eine 28-Millimeter-Kalotte. Sie besteht aus einer Aluminiumlegierung, die dank einer Anodisierung eine Keramikbeschichtung besitzt. Dies steigert die Robustheit und Belastbarkeit der Membran. Das passt zum leistungsstarken Ferrit-Magnet, der für einen kräftigen Antrieb sorgt. Damit die Membran flott schallwandeln kann, hat Fink die Zwischenräume, in denen sich die Schwingspule hin- und herbewegt, hinsichtlich der Luftströmung optimiert. Zudem hat Fink den Antrieb ohne Ferrofluid im Spalt realisiert. Diese viskose, mit Metallanteilen versehene Flüssigkeit wird sonst oft zur Dämpfung und Wärmeableitung verwendet, verursacht aber auch Kompressionseffekte. Durch ein Antriebsdesign ohne Ferrofluid ist diese Dynamikbremse also verbannt. Dank all dieser Agilitäts-Pluspunkte spielt der Tweeter rauf bis 25 Kilohertz.
Tradition und Innovation im Mittelton
Der ab 2,7 Kilohertz übernehmende Mitteltöner ist eng verwandt mit dem Tieftöner der ES-7N. Mit seiner Polypropylen-Membran steht der Treiber zudem in der Tradition: Epos-Lautsprecher waren immer mit PP-Schwingflächen ausgestattet. Auch Fink schätzt diesen Kunststoff als hervorragendes Membran-Material: Es ist sehr beständig, kann mit Füllmaterialien wie Mica (Glimmer) noch steifer realisiert werden und ist durch die Herstellung im Spritzgussverfahren in jeweils optimaler Geometrie und Dicke realisierbar. In Kombination mit der richtig gewählten Sicke bedarf es nur geringer Dämpfung, um Resonanzen zu vermeiden. So bietet diese Membran eine große Dynamikfähigkeit und Verfärbungsfreiheit. Die Sicke ist sehr weich und flexibel, insbesondere aber auf geringe Hysterese, also Verzögerung, ausgelegt. Zusammen mit der hochbelastbaren Nomex-Spinne bürgt dies für eine lineare Aufhängung der Membran. Das Antriebssystem ist ziemlich ausgebufft: Fink hat es bei der Entwicklung via Simulation so optimiert, dass die hervorgerufenen Induktivitätsschwankungen minimiert sind und durch eine Doppelmagnet-Anordnung das Streufeld des Magneten kompensiert wird.

Der 13-Zentimeter-Mitteltöner agiert mit einer Polypropylen-Membran, der bei der Herstellung im Spritzguss-Verfahren mit Glimmer-Partikeln dotiert wird. Bei richtiger Dimensionierung und überlegter Abstimmung mit einer passenden Sicke benötigt diese feste, steife und leichte Membran nur wenig Bedämpfung. Auch der neu konzipierte Korb bietet die Kombination aus hoher Steifigkeit und guter Dämpfung: Er besteht aus sehr stabilem, glasgefüllten Kunststoff.
Woofer-Team im Tiefton
Im Tiefton agiert ab 330 Hertz ein Team aus zwei hochpotenten Sieben-Zoll-Treibern. Auch hier betreibt Fink Verwandtschaftspflege: Sie basieren auf dem Woofer der ES-14N. Die Membranen bestehen deshalb natürlich auch hier wieder aus Mica-dotiertem Polypropylen, sie sind allerdings nicht gewölbt, sondern gerade. Laut Fink ist das für den Bassbereich die beste Lösung. Das Zentrum bilden große, inverse Staubkappen. Sie verhelfen den Membranen zu noch größerer Steifigkeit und Beweglichkeit. Dazu tragen auch hier, wie beim Mitteltöner, die Hysterese-armen Gummisicken bei. Die Magnetsysteme sind mit dem des ES-14N-Woofers identisch. Hier agieren also Hybrid-Lösungen aus Ferrit und Neodymium – und bieten ein Feature, das auch den Antrieb des Mitteltöners auszeichnet: Nichtmagnetische, aber elektrisch leitende Aluminium-Demodulationsringe verhindern den Einfluss von Wirbelströmen. Sie werden sonst durch die Schwingspulenbewegung erregt, wodurch die Induktivität der Spule verändert wird. Im Zusammenspiel mit der Frequenzweiche verursacht das – ohne Demodulationsringe – eine Modulation des Eingangssignals, was nichtlineare Verzerrungen erzeugt.

Für den Bass sorgt ein Team aus zwei 18-Zentimeter-Woofern. Eine gerade, also nicht gewölbte Membran ist für den Bass laut Entwickler Karl-Heinz-Fink die beste Lösung. Fast mehr ins Auge als die Polypropylen-Membran fällt die große zentrale Staubkappe, die die Stabilität und Agilität der Membran erhöht.
Aufwändige Weiche, ausgebuffte Venitilierung
Apropos Frequenzweiche: Sie steht, neben der Abstimmung des Lautsprechers, für den aufwändigsten Teil der Entwicklung – zumal Fink immer wieder auch zu neuen Lösungen kommt: So verwendet er hier Widerstände, die eigentlich für Schaltnetzteile entwickelt wurden, im Audio-Schaltkreis aber klanglich neutraler als selbst teure Audio-Resistoren sind. Die gesamte Weiche ist steilflankig realisiert. Dies erfordert eine Vielzahl an Bauteilen, und da Fink keine Qualitätskompromisse eingeht, ist diese Frequenzweiche sowohl platz- als auch kostenintensiv. Den Raum für die auf zwei Platinen verteilte Weiche bietet das Areal hinter dem Hochtöner, der oben im Gehäuse eine eigene, abgetrennte Kammer hat. Die rückseitige Metallabdeckung dieser Kammer weist ein merkwürdiges kleines Loch auf – wie auch der Boden der Hochtöner-Gehäusekammer. Über diese kleinen Löcher wird der ebenfalls in einem eigenen Korpus-Abteil platzierte Mitteltöner ventiliert. Dies ermöglicht einen definierten Druckausgleich. So kann die Schwingspule gleichmäßig nach vorn und hinten auslenken – ohne den sogenannten DC Offset, der hier eine Verschiebung hin zur weicheren Seite des gesamten Aufhängungssystems verursacht, was zu Verzerrungen führt.
Imposante Bassreflexabstimmung
Das Gros des Gehäuses ist dann für die beiden Tieftöner reserviert. Damit sind schon drei Maßgaben für einen kraftvoll-tiefreichenden Bass erfüllt: große resultierende Membranfläche, reichlich Hub, üppiges Gehäusevolumen. Zur weiteren Stärkung hat Fink die ES-28N mit einer Bassreflexabstimmung versehen. Ihr Port ist gen Boden gerichtet, ihr imposantes Rohr ragt 30 Zentimeter weit und acht Zentimeter breit in den Korpus. Das ermöglicht eine Abstimmung, durch die bei minimaler Resonanzanfälligkeit maximal wirksam die tiefen Frequenzen emittiert werden. Um auch Eigenresonanzen des Rohrs zu vermeiden, ist dieser Lufttunnel in seinem mittleren Bereich mit Druckausgleichsöffnungen versehen. Dank der Bassreflexabstimmung spielt die ES-28N runter bis mindestens 30 Hertz. Bei der generellen Abstimmung hat Fink auf einen sanft abfallenden Frequenzverlauf ab rund 300 Hertz, also ab den tiefen Mitten, geachtet. Dieser Kniff resultiert aus Finks Erfahrung: So erreicht er einen flotten, sauberen Bass, der ein sattes Fundament bietet, ohne zu Wummern oder Dröhnen zu neigen.

Der Korpus der ES-28N thront auf einem Sockel. Durch seine Abschrägung wird die gewünschte Gehäuseneigung erreicht. Seine nach vorne geöffnete U-Form gewährleistet, dass auch ohne Einsatz von Spikes Luft nach vorne austreten kann: Dies sind die Schallanteile des Bassreflexports, die gen Boden strahlen.
Drei Wege als einzige Lösung
Doch warum hat Fink nun erstmals eine neue Epos als Drei-Wege-System ausgelegt? Auch hier kommt seine jahrzehntelange Erfahrung aus unzähligen Lautsprecher-Kreationen zum Tragen. Die Erkenntnis: Wenn man zwei Woofer einsetzen will, funktioniert ein Zwei-Wege-System nicht so gut. Man könnte wohl eine D’Appolito-Anordnung realisieren, bei der ein Woofer über und der andere Woofer unter dem Hochtöner sitzt ist – aber das würde, da der Tweeter auf rund ein Meter Höhe positioniert sein sollte, einen Riesenturm ergeben. Setzt man beide Woofer unter den Hochtöner, ergibt sich unweigerlich eine Zweieinhalb-Wege-Konzeption, bei der ein Woofer nur bis zum unteren Mittenbereich mitspielt, der andere hingegen Bässe und Mitten komplett überträgt. Das führt jedoch dazu, dass die Haupt-Abstrahlachse der Woofer leicht gen Boden geneigt ist. Das gestaltet das Energie-Management für den Mittenbereich extrem schwierig. Da drängte sich die klassische Drei-Wege-Lösung auf. So ist die neue ES-28N als erster Stand- und Drei-Wege-Lautsprecher gleich eine Tripel-Novität im Epos-Portfolio.

Hinter der Metallblende sitzt die Frequenzweiche. Die Blende hat ein kleines Loch. Hierüber wird die Kammer des Mitteltöners definiert ventiliert, um Kompressionseffekte zu vermeiden. Sie würden die Schwingspule des Mitteltöners an einer gleichmäßigen Vor- und Zurückbewegung hindern.
Aufstellung …
Gehen wir endlich mit der ES-28N in den Hörraum. Hier schließen wir sie an den Marantz Model 10 an. Der Verstärker wird von der Streaming-Vorstufe Lumin P1 Mini mit Musik versorgt. Dies geschieht über den eingebundenen Musikdienst Qobuz. Hier starten wir mit „Out Of The Ghetto“ von Donald Fagen. Die Klangkette haben wir eigentlich erst einmal für unseren Fotografen hingestellt, der die ES-28 zur Bebilderung dieses Tests auch im Hörambiente ablichtet. Deshalb sind die Lautsprecher noch gar nicht genau ausgerichtet – und trotzdem klingt es auf Anhieb im Raum schon richtig gut und stimmig. Da sind wir uns mit dem Kollegen Maier einig, der zufällig – oder besser: vom Klang angelockt – reinkommt und reinhört. Für die anschließende Hörsession brauchen wir angenehmerweise nur eine geringfügige Feinjustage vornehmen, weil die ES-28N den ausgezeichneten Ersteindruck bestätigt. Die Lautsprecher stehen nun rund 2,20 Meter voneinander entfernt, die Distanz zum Sofa beträgt 2,50 Meter.
… und Ausrichtung: Die Epos ES-28N in der Praxis
Beim Wandabstand der Lautsprecher starten wir mit 40 Zentimeter. Die Basswiedergabe ist so allerdings ein wenig zu kräftig. Deshalb platzieren wir die Lautsprecher schließlich gut 50 Zentimeter von der Wand entfernt. Auch das Sofa rücken wir ein paar Zentimeter Richtung Raummitte. Jetzt stimmt die Balance. Bei der Einwinklung erzielen wir mit wenigen Grad Hinwendung zum Hörplatz eine Ausgewogenheit von schöner Weiträumigkeit, stimmiger Größendarstellung der Musiker und stabiler, kohärenter Bühnenabbildung. Jetzt kann der Hörspaß losgehen – und dieser Spaß ist riesig: Fagen und seine Band liefern mit „Out Of The Ghetto“ eine coole Cover-Version dieses Isaac Hayes-Songs und zelebrieren hier den Protofunk/Soul/R’n’B der späten 1970er – insbesondere durch die Keyboard-Sounds: Gleich das Eröffnungsmotiv spielt Michael Leonhart mit dem damals so beliebten Clavinet, also jenem legendären elektrischen Cembalo, das auch das Markenzeichen Stevie Wonders war. Im folgenden Groove-Teil setzt Fagen dann die berühmte, wunderbar schillernde und schwurbelnde Hammond B3-Orgel ein, …

Wer das Clean Design des Lautsprechers perfektionieren möchte, setzt die Frontblenden auf, welche die Chassis bedecken. Die Blenden haften nicht magnetisch, sondern finden mit ihren Stiften Halt in den acht Aufnahmen der Schallwand.
Perfektes Timing
… um dann später mit seinem Co-Keyboarder noch Sounds vom Minimoog-Synthesizer und Wurlitzer-Pino einzuflechten. Die Hommage an diese legendären Tasteninstrumente ist ein Hochgenuss – und den ermöglicht uns die ES-28N, weil sie Fagens und Leonharts Klavierspiel in allen Facetten und Klangnuancen sauber abbildet. Das klingt so selbstverständlich – ist es aber nicht, weil Fagen hier ein Großaufgebot von 14 Instrumenten plus Sologesang und Background-Chor einsetzt. Doch trotz des mitunter überaus dichten Sound-Gefüges bleibt der Klang überaus klar und transparent. Diese tolle Durchhörbarkeit fiel uns schon beim Anschließen der ES-28N prompt und positiv auf – neben der Stimmigkeit. Diese Stimmigkeit führt dazu, dass der Song schon ab dem ersten Takt wie Hölle groovt. Dafür sorgt in erster Linie die Rhythmusfraktion: Hier agieren mit Drummer Earl Cooke Jr. und Bassist Freddie Washington zwei absolute Asse – und sie spielen absolut auf den Punkt. Genau dieses perfekte Timing liefert die ES-28N.
Ausgezeichnete Dynamikfähigkeit
Cooke setzt die Bassdrum in fundamentalen Vierteln, jeder Tritt auf die tiefe Trommel hat einen definierten Wumms, der mit schönem Druck sogar bei moderater Lautstärke physisch spürbar ist. Darüber spielt Cooke eine quirlige Hi-Hat, bei der er virtuos zwischen geöffneten und geschlossenen Doppelbecken wechselt, und vollendet das treibende Drumm-Pattern mit definierten Snare-Schlägen auf zwei nun vier. Obwohl Cooke die Snare eher dezent spielt, setzt sie sich mühelos im Gesamtsound durch. Dazu wirbelt er immer wieder auf den Toms, bringt flotte Breaks und Läufe ein. Dieses Drumming klingt wunderbar frisch und vital – und das gelingt nur, wenn der Lautsprecher eine ausgezeichnete Dynamikfähigkeit besitzt und hier auch feine Abstufungen der Anschlagsintensität abbilden kann. Das gelingt der ES-28N exzellent. Zur Lebendigkeit trägt aber ebenso der Bass bei: Washington spielt auf seinem Fünfsaiter ein vertracktes Motiv mit schnellen Tonfolgen, prägnanten Stopps und effektvollem Oktavsprung. So ist der Bass zugleich virtuos und Fundament-liefernd.

Auch die Edelstahl-Spikes sind eine eigene Entwicklung des FinkTeams, das die Epos-Modelle entwickelt hat. Durch die Höhenverstellbarkeit lassen sich zugunsten eines sicheren und geraden Stands auch Unebenheiten des Untergrunds ausgleichen.
Die Spitzen der Spikes sind gegen abgerundete Abschlussstücke austauschbar – so werden aus Spikes Domes.
Kraftvoll-konturierter Bass
Auch hier glänzt die ES-28N: Sie liefert einen wunderbar kraftvollen und voluminösen Bass, sodass der abgründige Ton von Washingtons tiefer H-Saite den Raum füllt und, wie die Bassdrum, am ganzen Körper erfahrbar ist. Zugleich ist dieser Bass gut definiert, der Tiefton gerät darum nie wummrig oder verunklarend.Auch die nachfolgenden schnellen Passagen auf den höheren Saiten sind in ihrer ganzen Fingerfertigkeit konturiert zu hören. Dieser fundamental-virtuose Bass und das quirlig-dynamische Schlagzeug harmonieren dank der Auf-den Punkt-Stimmigkeit bestens und sorgen so für den Groove, dem man sich beim Zuhören nicht entziehen kann. Wir wippen schon nach wenigen Takten im unwiderstehlichen Rhythmus mit. Mitreißend ist aber auch das Frage-Antwort-artige Zusammenwirken von verzerrter E-Gitarre, die mit schön gezogenen Tönen eine sich wiederholende, immergleiche Frage stellt, und den Keyboards und Bläsern, die darauf verschiedenste Antworten geben. Eine coole kompositorische Idee, die durch die Abbildung der ES-28N umso eindrucksvoller funktioniert.
Exzellente Räumlichkeit
Dieser Lautsprecher sorgt nämlich auch für eine exzellente Räumlichkeit der Abbildung und platziert die Musiker samt ihrer Instrumente auf ein großzügig bemessenes Podium mit ebenso wohldimensionierter Tiefenstaffelung. Hier können sich Fagen und seine Band besten und völlig frei entfalten – und so verläuft das Frage-Antwort-Spiel zwischen Gitarre, Bläsern und Keyboards quer sowie hin und her über die imaginäre Bühne. Toller Effekt! Im Refrain spielen die Instrumente dann geballt zusammen. Trotz des dichten Instrumentensatzes sind die Akkord-Zerlegungen, die Jon Herington auf seiner Gitarre spielt, mühelos in all ihren einzelnen Tönen sauber zu hören – obwohl er sie mit einem dreckig-verzerrten Crunch-Sound präsentiert. Chapeau! Auch der gegen Ende einsetzende mehrstimmige Gesangspart ist in allen Reibungen, die Fagen im Stimmsatz einkomponiert hat, heraushörbar, obwohl das Finale mit zusätzlichem Schellenkranz, Solo-Violine und verschiedensten Bläsereinwürfen nochmals akustisch dichter und komplexer wird. Dank der ES-28N können wir trotzdem erleben, welch ausgebuffte Harmonien Fusion-Großmeister Fagen hier verwendet.

Für den Anschluss an den Verstärker setzt Epos auf geringstmögliche Metall-Masse: Statt Lautsprecherklemmen bietet die ES-28N in den Korpus eingelassene Aufnahmen für ein Paar Bananenstecker. Wer Lautsprecherkabel mit Gabelschuhen oder blanke Litze verwenden möchte, wird sich über die mitgelieferten Adapter freuen, mit denen auch diesen Anschluss-Arten möglich sind.
Selbstverständliche Wiedergabe für völlig entspannten Genuss
Diese Durchhörbarkeit sorgt im Verbund mit der Stimmigkeit für eine sofort spürbare Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit: Wir haben bei der Wiedergabe direkt den „So ist es richtig“-Eindruck. Dieses Empfinden bleibt auch bei hohen Pegeln erhalten: Wir haben „Out Of The Ghetto“ auch auf sattester Lautstärke gehört. Trotz starkem Zeigerausschlag der VU-Meter des Marantz-Verstärkers bleibt die ES-28N völlig stressfrei und liefert auch jetzt eine saubere, aufgeräumte Wiedergabe – freilich mit noch mehr Fundament, Schub und Druck. Da klingt jedoch nichts forciert oder angestrengt. So bleibt das Zuhören ein völlig entspannter Genuss. Was uns zudem auffällt: Der ES-28N gelingt es, sogar Donald Fagen als Sänger körperhaft abzubilden. Das ist bei Fagen, der leicht lispelt und eine eher heiser-reibende Stimme hat, kein Selbstläufer, zumal er manchmal seinen Gesang doppelt, sodass er mitunter ein wenig amorph erscheint. Die ES-28N hingegen präsentiert ihn und als Frontmann aus Fleisch und Blut.
Zarteste Atmer
Diese plastischen Qualitäten beweist die ES-28N umso eindrucksvoller bei Mélanie De Biasio: Die belgische Soul- und Jazz-Sängerin beginnt ihren Song „With All My Love“ allein mit ihrer tollen, souligen Stimme, die ein wenig an Billie Holiday und Nina Simone erinnert. Mélanie De Biasio zieht uns mit ihrem Gesang sofort in den Bann – auch, weil die ES-28N die Chanteuse mit eindrucksvoller Echtheit in den Raum stellt. Ihr Mikrofon hat alle Feinheiten eingefangen, wir hören über die sonor gesungenen, mitunter auch sanft gehauchten Worte hinaus die zartesten Atmer, ja, selbst die Lippenbewegungen der Sängerin. Realistischer und intimer kann eine Wiedergabe kaum sein, auch wenn hinter De Biasio bald ein Klavier und im Hintergrund ein Schlagzeug ihren Gesang mit feinen Akkorden und atmosphärischer Becken-Bearbeitung veredelt. Zur vorzüglichen plastischen und räumlichen Abbildung kommt eine ausgezeichnete Wiedergabe der Räumlichkeit: Durch die feine Auflösung der ES-28N registrieren wir den Hall des geräumigen Aufnahmeortes …
Immersive Wiedergabe, ausgezeichnete Imaginationskraft
… und durch die immersive Wiedergabe der ES-28N wird dieser Raum zur neuen Realität, während unsere wirklichen Wände keine Rolle mehr spielen. Das klappt auch vorzüglich im großorchestralen Format bei der Arie „Io vi rivedo alfin“ aus Donizettis Oper „Maria Stuarda“: Kaum eröffnet das Orchester, sitzen wir prompt in der Opéra de Lyon. Das Orchester erscheint als musikerstarker Instrumentalistenverbund. Wir können selbst einzelne Gruppen und Musiker heraushören: rechts die tiefen Streicher, links die hellen Geigen, hinten die Holzbläser – die Dreidimensionalität des Klangkörpers ist ausgezeichnet. Am vorderen Bühnenrand setzt nun Joyce DiDonato ein: Die amerikanische Sopranistin ist mit der geradezu spürbaren Präsenz ihrer Stimme und der begnadeten Kunstfertigkeit ihres betörenden Gesangs ein eindrucksvolles Ereignis! Auf ihren Gesang antwortet der dahinter postierte Chor. Auch hier hören wir gebannt, wie aus diesem vielköpfigen Ensemble einzelne Stimmen identifizierbar sind. So sorgt die ES-28N mit ihrer ausgezeichnete Imaginationskraft für eine glanzvolle Opern-Gala.

Die Epos ES-28N im Hörraum: Aufgrund ihrer Kraft im Bass empfiehlt sich ein Experimentieren mit dem Wandabstand.
Fazit
Die neue ES-28N bestätigt ein altes Sprichwort: Aller guten Dinge sind drei. Sie ist das dritte Modell im Portfolio, der erste Drei-Wege-Schallwandler – und, drittes Charakteristikum, der erste Standlautsprecher. Das erhebt sie per se zum Flaggschiff von Epos – und diese Spitzenposition übernimmt die ES-28N völlig zurecht. Sie glänzt mit einer überaus stimmigen, natürlichen und selbstverständlichen Wiedergabe. Sie agiert ungemein sauber und verzerrungsarm. Diese Klarheit und Transparenz bewahrt sie selbst bei hohen Pegeln. Die Reinheit ermöglich eine tolle Durchhörbarkeit bis hin zu feinsten Details. Dabei agiert die ES-28N mit ausgezeichneter Akkuratesse und einer tollen Dynamikfähigkeit im Feinen wie im Groben. Daraus resultiert eine frische, lebendige Wiedergabe. Sie punktet zudem mit einem kraftvoll-voluminösen Bass, der für ein ebenso konturiertes wie tiefreichendes Fundament sorgt. Hinzu kommen die ausgezeichnete Plastizität der Darstellung und die Räumlichkeit der Abbildung. Diese klangliche Klasse bietet Epos zu einem ausgezeichneten Preis. So ist die ES-28N ein echtes Highlight!
Test & Text: Volker Frech
Fotos: Marius Bulla
Klasse: Spitzenklasse
Preis/Leistung: herausragend
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Technische Daten
Modell: | Epos ES-28N |
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Produktkategorie: | Standlautsprecher |
Preis: | 7.990,00 € / Paar |
Garantie: | 5 Jahre |
Ausführungen: | - Walnuss - Weiß seidenmatt - Schwarz seidenmatt - Jadegrün seidenmatt |
Vertrieb: | IDC Klaassen, Lünen Tel.: 0231 / 2217 8822 www.idc-klaassen.com |
Abmessungen (HBT): | 1.050 x 250 x 360 mm |
Gewicht: | 33,7 kg / Stück |
Prinzip: | 3 Wege, passiv, Bassreflex |
Hochtöner: | 1x 28 mm (Kalotte, Aluminium/Keramik-Membran) |
Mitteltöner: | 1 x 130 mm (Konus, Polypropylen-Membran mit Mica-Füllung) |
Tieftöner: | 2 x 178 mm (Konus, Polypropylen-Membran mit Mica-Füllung) |
Frequenzbereich: | < 30 Hz - 25 kHz (Herstellerangabe) |
Übergangsfrequenzen: | 330 Hz, 2.700 Hz (Herstellerangabe) |
Wirkungsgrad | 86 dB @ 2.823 V / 1m (Herstellerangabe) |
Impedanz: | 6 Ω |
Anschluss: | Single-Wire (vertieft) |
Lieferumfang: | - Epos ES-28 - Spezial-Spikes - Bananenstecker-Adapter für Lautsprecherkabel mit Kabelschuhe oder blanken Litzen - Frontabdeckungen |
Pros und Contras: | + dezentes Design + hochgradige Klarheit, Sauberkeit und Verzerrungsarmut + superbe Stimmigkeit und Natürlichkeit + ausgezeichnete Durchhörbarkeit und Auflösung + exzellente Dynamikfähigkeit + überaus plastische Abbildung + weiträumig-dreidimensionale Darstellung mit guter Tiefenstaffelung + hochgradig kraftvoller, voluminöser Bass + entspannter, ermüdungsfreier Musikgenuss + leichte Aufstellung - Abdeckung nicht magnetisch |
Benotung: | |
Gesamtnote: | Highlight |
Klasse: | Spitzenklasse |
Preis-/Leistung | herausragend |
Getestet mit: | - Streaming-Vorstufe: Lumin P1 Mini - Verstärker: Marantz Model 10 - Signalkabel: Audioquest Black Beauty - Lautsprecherkabel: Audioquest Rocket 88 - Netzkabel: Audioquest Monsoon - Musikstreaming-Dienst: Qobuz |