Home » Tests » Cayin MT-35 MK3 – Röhren-Power und Bluetooth-Streaming
18. Mai 2025
von Volker Frech
RedakteurNeues vom Klassiker: Der MT-35 ist seit etlichen Jahren einer der beliebtesten Verstärker aus dem Cayin-Kosmos – und das zurecht: Er kombiniert im kompakten Format traditionelle Röhren-Power, aktuelles Bluetooth-Streaming und feine Features wie den Kopfhörer-Ausgang oder die Klang-Wahl zwischen Trioden- und Ultralinear-Modus. Jetzt hat das Kleinkraftwerk ein Update zum MT-35 MK3 erfahren – und zeigt im Test, was es kann und wie es klingt.

Röhren-Magie: Der kompakte Cayin MT-35 MK3 zeigt stolz sein Glimmkolben-Septett und punktet in der MK3-Version mit abermals attraktiverem Design.
Cayin Audio ist ein etablierter Player in der HifI-Szene: Die Chinesen, die vor Kurzem ihr dreißigjähriges Bestehen feierten, genießen in der Audiowelt einen erstklassigen Ruf und sind, bei aller Breite der Produktpalette, insbesondere für ihre Röhrenverstärker bekannt – dank klanglicher Klasse, hoher Fertigungsqualität und reichlichem Know-How, das bis zur eigenen Entwicklung und Fertigung der wichtigen Trafos und klangentscheidenden Übertrager reicht. Hinzu kommt die Kooperation mit Stefan Noll: Der in der Branche bestens beleumundete Röhrenverstärker-Experte ist an der Modellentwicklung und -optimierung beteiligt. Dass die so entstehenden Glimmkolben-Kraftwerke dann auch noch durchweg ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis aufweisen, ist ebenfalls erfolgsfördernd. Mit diesen Argument-Assen haben wir etwa den Single-Ended-Amp CS-805A, den Vollverstärker Jazz 80 oder den Kopfhörer-Spezialisten HA-6A kennengelernt – und auch vor fast vier Jahren den Vorgänger unseres aktuellen Testkandidadaten, den MT-35MK2 BT. Schauen wir uns an, was sich beim aktuellen Modell getan hat.

Amtliche Aufbereitung des Signals in der Vorstufe: Hier besorgt eine 12AX7 die Spannungsverstärkung, zwei 12AU7 arbeiten in der Splitter-/Treiberstufe.
Noch attraktiver
„Wow, noch attraktiver“ – dieser Gedanke schießt uns sofort durch den Kopf, als der kompakte, nach wie vor 18 mal 37 mal 28 Zentimeter messende MT-35 MK3 auf unserem Redaktionstisch steht: Statt des ehedem in Blaumetallic gehaltenen Hochglanz-Finishs ziert sein Gehäuse nun ein anthrazitfarbener matter Strukturlack, der dank der eingearbeiteten feinen Goldperlen trotzdem im Licht funkelt. So verströmt der Verstärker zugleich eine größere Noblesse und Dezenz. Zudem harmoniert dieses Coating noch besser mit den dunklen Blenden der beiden Bedienknöpfe und dem sanften Schimmer der sauber eloxierten und fein gebürsteten Aluminium-Front. Kein Wunder, dass Kollege Maier zu diesem Verstärker gleich ein Video dreht. Bei dieser massiven, den Korpus zu allen Seiten überragenden Stirnseite erkennen wir ebenfalls eine Veränderung: Besaß die Platte zuvor entlang beider Längsseiten eine markante Fasung, so ist ihr oberer Verlauf nun eben. Dieses kleine, aber feine Detail beruhigt, wie auch das Anthrazit-Finish, die optische Anmutung.

Das VU-Meter ist die klassische Aussteuerungsanzeige eines HiFi-Verstärkers. Beim MT-35 MK3 hat das Display noch eine zweite Funktion: Wenn der „METER“-Schalter auf „BIAS“ umgelegt wird, dient es als Anzeigeinstrument für den Ruhestrom jener Endstufenröhre, die man mit dem „BIAS SEL“-Taster ausgewählt hat.
Kopfhörer-Anschluss und Zeiger-Zucken
Diese Front zieren zur Rechten und Linken nun die besagten Drehknöpfe für die Quellwahl und die Lautstärke. Sie sind ebenfalls in Aluminium realisiert und vermitteln bei der Bedienung einen ausgezeichneten haptischen Eindruck: Sie rasten mit schöner Definition. Der Source-Selector ermöglicht dabei die Input-Wahl zwischen drei kabelgebundenen analogen Hochpegel-Eingängen und der kabelfreien digitalen Bluetooth-Schnittstelle. Der Volume-Knopf punktet wiederum mit feiner Abstufung und einer geradezu sahnigen Gängigkeit. Dahinter agiert ein Potentiometer des renommierten Spezialisten Alps. Es bürgt für eine akkurate und absolut kanalgleiche Lautstärkeregelung. Die daneben positionierte, mit „Phones“ bezeichnete Buchse dient dem Anschluss eines Kopfhörers. Er ermöglicht als Alternative zur Lautsprecher-Wiedergabe den ganz privaten Musikgenuss. Bei Nutzung dieses Anschlusses, der dankenswerterweise als robuste, große Klinke ausgelegt ist, werden nämlich automatisch die rückseitigen Lautsprecher-Ausgänge stummgeschaltet. Die Zentrale der Front bildet nun ein im Betrieb orange beleuchtetes VU-Meter. Diese klassische Pegelanzeige mit ihrem zuckenden Zeiger ist geradezu der Inbegriff für klassisches HiFi.

Der MT-35 MK3 punktet auch mit einem Kopfhörer-Anschluss. Der Ausgang ist als große Klinkenbuchse realisiert. Hierüber treibt der Verstärker Kopfhörer mit einer Impedanz von 16 bis 300 Ohm an – und hier sogar den mit 13 Ohm ausgewiesenen Dan Clark Aeon Closed 2.
Klassisch und klasse: das Röhren-Ensemble
Kommen wir nun zum Deck des MT-35 MK3. Auf der Oberseite präsentiert uns der Verstärker zuvorderst das, was man als Röhren-Fan sehen möchte: das Glimmkolben-Ensemble. Im Zentrum sind die drei Röhren der Vorstufe versammelt. Hier dient eine 12AX7 der Spannungsverstärkung. Diese Trioden wird gerne wegen ihrer hohen Klirr-, Rausch- und Mikrofonie-Armut eigesetzt. Auf sie folgt ein Paar vom ebenfalls hochgeschätzten Typ 12AU7. Diese beiden Trioden werden in Gegentakt-Verstärkern häufig als Phasensplitter und Treiber für die Leistungsröhren eigesetzt und kommen so auch im MT-35 MK3 zum Einsatz. Gegentakt-Verstärker bedeutet: Hier wird das Musiksignal jedes Kanals von zwei Röhren verstärkt. Dabei übernimmt eine die positive Signalhalbwelle, die andere die negative. Durch dieses Teamwork lässt sich eine wesentlich größere Signalverstärkung erzielen als mit einer einzigen Röhre. Dementsprechend benötigt ein solcher Class AB-Stereo-Verstärker vier Endstufenröhren. Hier setzt Cayin auf DIE klassische Endstufen- Pentode schlechthin: die EL 34.

Für die Power sorgen in der Endstufe pro Kanal zwei Pentoden vom Typ EL34. Dies ist die klassische Endstufenröhre schlechthin. Im Trioden-Modus sorgen diese Röhren für eine Leistung von 18 Watt pro Kanal, im Ultralinear-Modus verdoppelt sich die Power auf 36 Watt.
Ultralinear- und Trioden-Modus für verschiedene Klang-Charaktere
Mit diesem Röhren-Septett liefert der MT-35 MK3 bis zu 36 Watt pro Kanal – wenn man ihn im „Ultralinear-Modus“ betreibt. Dieser Betriebsmodus sorgt durch eine lokale Gegenkopplung in der Endstufe dafür, dass die Pentoden bei ihrer Verstärkungsarbeit weniger ungradzahlige Oberwellen erzeugen. Der Klang wird sauberer und runder, dafür ist die Leistung geringer als im puren Pentoden-Modus. Noch harmonischer wird es im sogenannten Trioden-Modus: Dann werden die Pentoden der Endstufe quasi als Trioden betrieben. Trioden erzeugen per se weniger ungradzahlige Oberwellen und mehr gradzahlige, welche für unsere Ohren angenehm sind. Dafür ist die Leistung deutlich geringer. So liefert der MT-35 MK3 18 Watt. Cayin beschreibt den Klang des Trioden-Betriebs als zart, üppig-obertonreich und holografisch und empfiehlt ihn insbesondere für Musik mit Streichern oder Stimmen. Der kraftvollere, reservenreichere Ultralinear-Betrieb hingegen sei ideal für Musik, die mehr Druck, Dynamik und Kontrolle erfordert. Der Wechsel zwischen diesen beiden Betriebsarten gelingt einfach mit dem TR/UL-Umschalter.

Klang-Finesse: Mit dem linken Kippschalter versetzt man den Verstärker in den Ultralinear-Modus (UL) oder in den Trioden-Modus (TR). Dies ändert sowohl den Klangcharakter als auch die Leistung. Mit dem rechten Schalter bestimmt man, ob die Anzeige im Betrieb den Pegelausschlag oder beim BIAS-Abgleich die Ruhestrom-Anzeige anzeigt.
Bias-Einstellung für optimale Performance und alternative Röhren
Neben der Umschaltung zwischen Ultralinear-Betrieb und Trioden-Modus bietet der MT-35 MK3 noch eine weitere Möglichkeit der Klangveränderung: Wer möchte, kann für die Endstufe statt der standardmäßig mitgelieferten EL 34 auch andere kompatible Pentoden wie die 6CA7, die 6L6 oder die 5881 einsetzen. Möglich macht’s der manuelle BIAS-Abgleich des Verstärkers. Mit ihm kann für jede der vier Endstufenröhre der richtige Ruhestrom eingestellt werden. So werden alle Pentoden optimal angesteuert und können ihre beste Performance bieten. Dies sorgt dann auch für völlige Gleichheit zwischen den beiden Stereo-Kanälen und für ein homogenes Teamwork der beiden komplementär arbeitenden Röhren jeder Gegentakt-Stufe. Für den Bias-Abgleich legt man den Schalter „POW/BIAS METER“ um. Das Display verwandelt sich dadurch vom VU-Meter zum Ruhestrom-Anzeiger. Mit den „BIAS SEL“-Tastern legt man dann fest, welche Endstufenröhren eingestellt werden soll. Der Ruhestrom dieser Pentode wird nun im Display angezeigt. Die Justage nimmt man schließlich per Schlitzschraubendreher mit den eingelassen Madenschrauben vor.

Mit den beiden Bias Select-Tastern (hier der für den rechten Kanal) legt man fest, für welche der beiden Pentoden das Display die Ruhestrom-Einstellung anzeigen soll.
Ausgezeichnete Ausgangsübertrager
Dies geht natürlich nur, wenn man den Korb entfernt. So schick der Schutzkäfig auch gestaltet ist: Die meisten Röhrenverstärker-Besitzer werden ihn für einen freien Blick auf die Glimmkolben abnehmbaren. So sieht man auch hinter den Röhren die Trafo-Trias, die mit attraktiven Metallkappen abgeschirmt ist. Der große mittige Ringkern-Netztransformator und die beiden Ausgangsübertrager machen einen Gutteil des Verstärkergewichts aus. Diese Umspanner sind eine Spezialität von Cayin. Die hochqualitativen Trafos entstammen der eigenen Entwicklung und Fertigung. Gerade die Güte und Breitbandigkeit der Ausgangsübertrager, die das Musiksignal nach der Röhrenverstärkung an den Ausgängen mit passender Impedanz bereitstellen, ist maßgeblich für die Klangqualität eines Röhrenverstärkers. Laut Cayin wurden diese Übertrager speziell für die Schaltung der Mk3-Version entwickelt. Diese und weitere Modifikationen mögen zum nunmehr nochmals um vier Dezibel verbesserten Fremdspannungsabstand geführt haben. Unverändert bleibt die Fertigung: Die Schaltung wird nach wie vor in Handarbeit verlötet und ist weitestgehend als Punkt-zu-Punkt-Verdrahtung ohne klangverschlechternde Platine ausgeführt.

Der Netztrafo und die beiden Übertrager sitzen bestens abgeschirmt unter Metallhauben, die im attraktiven Anthrazit-Strukturlack des Korpus gehalten sind.
HiRes-Qualität beim Bluetooth-Streaming
Auf Platine sind hingegen das Bluetooth-Modul, der Digital-Analog-Wandler, die hierfür separat ausgelegte Stromversorgung und die Einbettung dieser Streaming/DAC-Schaltungssektion in den Röhrenverstärker realisiert. Mit dem ESS ES9018K2M SABRE32 kommt der gleiche Top-DAC wie beim Vorgänger zum Einsatz: Der audiophiler 32-Bit-Konverter glänzt mit herausragender Dynamik sowie ausgezeichneter Rausch- und Verzerrungsarmut. Für den Blauzahn-Funk kommt hingegen ein neuer Bluetooth-Chip zum Zug, sodass jetzt der Standard 5.1 erreicht wird. Mit den implementierten klangstarken Codecs ermöglicht dies eine hohe Wireless-Streaming-Qualität: Via aptX HD geht eine Bitrate bis 576 kbit/s in der Qualität bis 48 kHz/24 Bit, aptX ermöglicht 384 kbit/s bei 48 kHz/16 Bit. Hinzu kommt aptX LL für eine minimale Signal-Latenz bis 32 Millisekunden für eine Wiedergabe ohne wahrnehmbare Verzögerung. Als Sahnehäubchen ist sogar der von Sony entwickelte LDAC-Standard integriert, der eine Bitrate bis 990 kbit/s in der Qualität 96 kHz/24 Bit bietet. So ermöglicht der MT-35 Mk3 superbes HiRes-Audio-Streaming.

Der MT-35 MK3 ist mit einem Bluetooth-Modul und einer Konverter-Sektion ausgestattet. Damit ermöglicht der Verstärker das kabellose Musik-Streamen von Files in HiRes-Qualität.
Line-Inputs und Lautsprecheranschlüsse
Der Blauzahn-Funk-Empfang geschieht über die anschraubbare Bluetooth-Antenne auf der Rückseite. Die Reichweite dieser Funkstrecke beträgt damit rund zehn Meter. Hier sind auch – abgesehen vom frontseitigen Kopfhörer-Anschluss – alle kabelgebundenen Ein- und Ausgänge versammelt. Eingangsseitig bietet der Verstärker drei Line-Inputs. Hier können Hochpegel-Zuspieler wie der CD-Player oder der Tuner angeschlossen werden– und mit einem zusätzlichen Phono-Verstärker auch ein Plattenspieler. Ausgangsseitig bietet der MT-35 MK3 massive Klemmen für den Anschluss eines Lautsprecherpaars. Um hier die perfekte Anpassung an die Schallwandler zu erreichen, hat der Verstärker Klemmen sowohl für Vier- als auch Acht-Ohm-Lautsprecher im Angebot. Beim Kopfhörer-Ausgang ist hingegen ohne jegliche Anpassung die Palette der betreibbaren Kopfhörer groß: Mit einem Impedanzbereich von 16 bis 300 Ohm treibt der MT-35 Mk3 die meisten Modelle mühelos an. À propos „mühelos an“: Wer den Power-Schalter sucht, um den Verstärker einzuschalten, findet ihn auf der linken Seite direkt hinter der Frontblende.

Der Verstärker ermöglicht den Anschluss von drei analogen Line-Quellen. Über die Antenne empfängt der MT-35 MK3 Musik via Bluetooth. Für den Lautsprecher-Anschluss stehen hochwertige vergoldete Klemmen parat. Sie sind für Vier-Ohm und Acht-Ohm-Lautsprecher ausgelegt, um eine Anpassung an die Impedanz der Schallwandler zu gewährleisten.
Der Cayin MT-35 MK3 in der Praxis
Diesen Power-Schalter betätigen wir, nachdem wir den MT-35 Mk3 im Hörraum mit der Streaming-Vorstufe Lumin Pi Mini und über die Vier-Ohm-Klemmen mit dem Lautsprecher Audio Physic Midex verbunden haben. Wir geben dem Verstärker ein wenig Zeit, damit die Röhren auf Betriebstemperatur kommen. Dann drehen wir im Ultralinear-Betrieb den Verstärker im Leerlauf weit auf und hören: ein wohltuendes Nichts. Der MT-35 Mk3 agiert ohne Brummen oder Sirren, selbst ganz nahe an den Lautsprechern ist nichts zu vernehmen. Das ist der akustischer Ausweis für die Qualität der Verstärkerschaltung samt ihrer Komponenten sowie der guten Übertrager-Schirmung. Wir drehen den Lautstärkeregler nun wieder runter und schalten in den Trioden-Modus. So liefert der MT-35 Mk3 eine Leistung von bis zu 16 Watt. Das klingt nach nicht viel. Aber kaum starten wir mit Shelby Lynnes wunderschöner Version von Dusty Springfields „Just A Little Lovin“, belehrt uns der Verstärker gleich ab dem ersten Ton eines Besseren.

Die Bias-Anpassung ermöglicht für jede Endstufenröhre die Einstellung des optimalen Ruhestroms. Dies gelingt mit einem kleinen Schlitz-Schraubendreher.
Ausgezeichnete Präsenz
Wir haben den Verstärker gerade mal zu einem Drittel aufgedreht, und bereits jetzt ist der Pegel auf einem Lautstärke-Niveau, das für normales Musikhören kaum lauter sein braucht. Dabei treibt der MT-35 Mk3 in unserem durchaus geräumigen Testraum ausgewachsene Standlautsprecher an, die für die Beschallung eines auch größeren Ambientes ausgelegt sind. Die Trioden-Betriebsart ist ja eher der Modus fürs Harmonisch-Runde, für die ruhigere Gangart, für Stimmen und Einzelinstrumente – und das bekräftigt der MT-35 Mk3: Der Song startet mit dem Schlagzeug, und bereits der eigentlich lapidare Einstieg mit Ride-Becken, Bassdrum, Rim-Click-Snare-Schlägen und sanftem Shuffle auf der Hi-Hat ist ein echter Hinhörer: Es klingt ungemein plastisch, gegenwärtig und dynamisch, als würde Gregg Field das Drumset direkt vor uns spielen. Gerade beim Ride können wir das Metall, aus dem es gedengelt ist, geradezu sehen, weil wir auch sein Ausklingen mit dem sich dabei verändernden Geräusch- und Tonspektrum des Bronze-Beckens hören. Faszinierend!
Stimmen-Magie im Trioden-Modus
Diese ausgezeichnete Plastizität und Gegenwärtigkeit, die nur mit guter Dynamikfähigkeit und großem Auflösungsvermögen zu erreichen sind, erleben wir auch bei den anderen Instrumenten, die nun hinzutreten: Keyboards, Gitarre und Bass stellt uns der MT-35 Mk3 mit richtig guter Präsenz auf die imaginäre Bühne. Die Instrumente bekommen hier reichlich Platz und sind schön in der Tiefe gestaffelt. Dann setzt schließlich Shelby Lynne ein – und hier beweist der Verstärker, warum der Trioden-Modus gerade für Stücke mit Gesang die erste Wahl sein kann: Die Singer/Songwriterin klingt hier unwiderstehlich. Lynnes von Haus aus attraktive Stimme klingt noch betörender, noch wärmer, noch inniger: Die intime Morgen-Stimmung, die sie mit wunderbarem Vibrato, mal gehauchten und mal leicht rauh endenden Tönen bei den ersten Textzeilen „Just a little lovin’/Early in the mornin/Beats a cup of coffee/For starting off the day“’ besingt, erleben wir mit einer Zugewandtheit und Sanftheit, als wäre Lynne wirklich gerade neben uns erwacht.

Der MT-35 MK3 mit aufgesetztem Korb. Der Käfig ist stimmig im Finish des Korpus lackiert, gibt den Blick auf die Vorstufen-Trioden frei – und bietet trotzdem sowohl den Röhren als auch dem Verstärkerbesitzer Schutz.
Klangcharakter-Änderung im Ultralinear-Betrieb
Toll ist auch der Tiefton: Schon bei der Einleitung hat uns beim Schlagzeug-Bassdrum über den fetten Punch hinaus mit ihrem satten Volumen beeindruckt. Mit dem Hinzutreten des Basses sorgt auch dieser Viersaiter aufgrund seines sonoren, üppigen Klangs und dem wunderbaren Tiefgang für ein raumfüllendes, kraftvolles Tiefton-Fundament. Wie klingt das Ganze nun im Ultralinear-Betrieb? Erst einmal gewinnen wir etwas an Pegel, so dass wir den Lautstärkeregler zugunsten gleicher Verhältnisse ein wenig herunterdrehen. Beim Schlagzeug-Intro fällt uns gleich die größere Straffheit bei der Snare und insbesondere bei der Bassdrum auf. Die Becken, also Hi-Hat und Ride, klingen etwas akzentuierter, härter, metallischer, das ausklingende Ride aber nicht mehr ganz so unmittelbar. Auch die anderen Instrumente erscheinen etwas nüchterner – und ebenso wirkt Shelby Lynnes Gesang etwas weniger innig. Dafür ist der Bass etwas drahtiger und konturierter. Die gesamte Wiedergabe gewinnt an Luftigkeit, Frische und Transparenz, bietet aber weniger Wärme und holografischer Magie.
Singende Geige und kerniges Klavier
Beim großorchestralen Format bestätigt sich zunächst einmal dieser Eindruck. Wir hören George Gershwins Klavierkonzert, der Weltklasse-Pianist Kirill Gerstein hat es mit dem St. Louis Symphony Orchestra in der Powell Hall von St. Louis aufgeführt. Das auch im Klavierpart überaus perkussive Konzert entfaltet im Ultralinear-Betrieb bis hin zu den Paukenwirbeln mehr Dynamik und Kernigkeit, die Saalakustik ist besser erfahrbar, ebenso wirkt das Bühnengeschehen etwas aufgeräumter, das Orchester ist durchhörbarer. Dafür hat der Klangkörper im Trioden-Modus im Bass mehr Wumms, der Musikerverbund klingt kompakter – und Gersteins Klavierspiel wirkt mitreißender. Puh, das ist eine schwierige Wahl! Bei Beethovens Violinkonzert hingegen, das die junge Ausnahme-Geigerin María Dueñas mit den Wiener Symphonikern im Wiener Musikverein spielt, ist ganz klar der Trioden-Modus unser Favorit: So baden wir im tollen Streicherklang, erleben eindrucksvoller die Strahlkraft von Dueñas‘ Geigenspiel und den nun geradezu singenden Ton ihrer wertvollen Nicolò-Gagliano-Violine.

Beim Bluetooth-Streaming können Android-Nutzer in den Einstellungen des Smartphones LDAC fürs HiRes-Streaming aktivieren (Bild 1). Mit der App „HiBy Blue“ lässt sich der aktuell verwendete Codec und die Abtastrate des gerade gestreamten Files anzeigen (Bild 2). Mit einem Musikdienst wie hier Qobuz steht fürs Streaming eine umfangreiche Musikbibliothek zur Verfügung, die auch etliche Stücke und Alben in hochauflösender Qualität bietet (Bild 3).
Wohlklang auch via Kopfhörer
Noch stimmiger und im Ganzen homogener wirkt die Wiedergabe mit dem Kompaktlautsprecher Radiant Acoutics Clarity 6.2. Auch hier lassen sich nun die Unterschiede zwischen den beiden Klangmodi klar heraushören. Wo wir gerade beim Ausprobieren sind: Wie betreiben den MT-35 Mk3 nun mal über den Acht-Ohm-Abgriff, obwohl sowohl die Audio Physics als auch die Radiants Vier-Ohm-Schallwandler sind. Diese eigentlich Fehlanpassung bewirkt, was viele Röhrenfreunde schon erfahren haben: Die Wiedergabe erscheint noch luftiger, feiner und präsenter, der Klang noch knackiger, der Bass noch tragfähiger. Nun wechseln wir zum Kopfhörer-Anschluss. Hier setzt der MT-35 Mk3 seinen Wohlklang fort: Der mit 13 Ohm sehr niederimpedante Dan Clark Aeon Closed 2, für dessen Betrieb wir den Verstärker schon etwas aufdrehen müssen, agiert als Magnetostat eigentlich ungemein nüchtern, klingt hier aber angenehm beseelt. Noch runder klingt der dynamische, mit 250 Ohm ausgewiesene Beyerdynamic DT 1990 Pro, der auch mit deutlich niedrigerer Volumenpoti-Einstellung funktioniert.
Top-Sound auch via Bluetooth
Über den Kopfhörer sind die Unterschiede zwischen den beiden Betriebsarten teils noch deutlicher zu erleben: Die Transparenz und Luftigkeit im Ultralinear-Betrieb ist hier umso anspringender, die Wärme, Gesanglichkeit, Plastizität der Instrumente und die Attraktivität gerade von Stimmen noch geringfügig intensiver. Dies gilt ebenso für das Bluetooth-Streaming, mit dem der MT-35 Mk3 auch die kabellose Zuspielung ermöglicht: Für diesen Zuspielweg koppeln wir unser Smartphone mit dem Verstärker, was prompt und problemlos geht. Wir nutzen unseren Qobuz-Account und spielen zum Vergleich die gleiche Musik wie über den kabelgebundenen Weg. Nun zeigt sich, dass die implementierte Bluetooth/DAC-Abteilung akustisch einen Top-Job macht: Die Wiedergabe ist sauber klar, transparent, hat Tiefe und Tiefgang – und es zahlt sich aus, wenn man den Track in HiRes streamen kann. So sind die Unterschiede zwischen den beiden Betriebsmodi des MT-35 Mk3 noch besser heraushörbar – und so hat man auch hier die überaus angenehme Qual der Wahl.

Der Cayin MT-35 MK3 ist mit seinen leuchtenden Röhren und seinem schlank-kompakten Design eine Attraktion im Ambienet. Hier spielt er mit der Streaming-Vorstufe Lumin Pi Mini und dem Kompaktlautsprecher Revival Audio Sprint 3.
Fazit
Der Cayin MT-35 MK3 zeigt auch in der dritten Geräte-Generation, warum er zu den beliebtesten Verstärker im Cayin-Portfolio gehört. Als Röhrenverstärker mit Bluetooth-Modul kombiniert er im kompakten Format klassisch-analoges HiFi mit modernem Musikstreaming in HiRes-Qualität. Er liefert einen Klasse-Klang, der sich insbesondere durch dynamische Frische, eine transparent-detailreiche Wiedergabe, eine sehr gute Plastizität und Räumlichkeit sowie einen kraftvoll-voluminösen Bass auszeichnet. Dazu punktet der Verstärker mit durchdachter Ausstattung: Die Bias-Justage ermöglicht den genauen Abgleich der Kanäle und der Gegentakt-Röhren, aber auch den Einsatz klanglich anderer Endstufenröhren. Mit der Trioden/Ultralinear-Umschaltung hat der Verstärker zudem bereits zwei Sound-Modi in petto – für eine Bandbreite vom Stimmenschmelz bis hin zur orchestralen Strahlkraft. Dieses Feature-Paket rundet der Kopfhörer-Ausgang ab. Über seine akustischen Vorzüge hinaus punktet der Verstärker mit attraktivem Design und exzellenter Verarbeitung. All diese Pluspunkte bietet er zu einem ausgezeichneten Preis. Damit empfiehlt sich der MT-35 MK3 für Einsteiger wie auch für erfahrene HiFi-Enthusiasten.
Test & Text: Volker Frech
Fotos: Marius Bulla
Klasse: Oberklasse
Preis/Leistung: hervorragend
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Technische Daten
Modell: | Cayin MT-35 MK3 |
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Produktkategorie: | Vollverstärker |
Preise: | ab 1.598,00 Euro |
Garantie: | - Verstärker: 3 Jahre (nach Registrierung) - Röhren: 1 Jahr |
Ausführung: | - Front: Silber - Gehäuse, Übertrager-Abdeckungen, Käfig: Anthrazit |
Vertrieb: | Cayin Audio Distribution GmbH, Glashütten-Schlossborn Tel.: +49 6174 9554412 www.cayin.de |
Prinzip: | Röhrenvollverstärker, Class AB, Gegentakt |
Abmessungen (HBT): | 184 mm x 326 mm x 278 m |
Gewicht: | 3,1 kg |
Eingänge/Streaming-Wege: | 3 x Line unsymmetrisch (Cinch) 1 x Bluetooth |
Eingangsempfindlichkeit: | 300 mV (Herstellerangabe) |
Eingangsimpedanz: | 100 kΩ (Herstellerangabe) |
Ausgänge: | 1 x Kopfhörer unsymmetrisch (Klinke, 6,35 mm) 1 x Lautsprecher (2 Abgriffe für 4 Ω und 8 Ω) |
Ausgangsleistung: | - 2 x 18 W (Trioden-Modus) - 2 x 36 W (Ultralinear-Modus) (Herstellerangaben) |
Ausgangsimpedanz: | - Lautsprecher: 4Ω, 8Ω (Herstellerangabe) - Kopfhörer: 16 - 300 Ω (Herstellerangabe) |
Röhren: | - Spannungsverstärkerstufe: 2 x 12AX7 (= ECC83) - Splitter-/Treiberstufe: 2 x 12AU7 (= ECC82) - Endstufe: 4 x KT88 oder 4 x EL34 |
Frequenzbereich: | 8 Hz - 60 kHz (-3dB) (Herstellerangabe) |
Klirrfaktor: | 0,25 % (1 W / 1 kHz; 5%) (Herstellerangabe) |
Fremdspannungsabstand: | 93 dB (A-gewichtet) (Herstellerangabe) |
Leistungsaufnahme (max.) | 260 W (Herstellerangabe) |
Bluetooth-Version: | 5.1 |
Bluetooth-Standards/-Codecs: | LDAC, aptX, aptX HD, aptX LL (Low Latency), SBC, AAC |
Bluetooth-Reichweite: | ca. 10 m |
Bluetooth-Chip: | QCC5125 |
DAC-Chip: | ES9018K2M Sabre32 |
Lieferumfang: | - Cayin MT-35 MK3 - Gitterkorb (aufsteckbar) - Netzkabel (1,5 m) - Ersatzsicherungen (1 x T1,6 A, 1 x T2,5 A) - Handschuhe - Bedienungsanleitung (Englisch) |
Pros und Contras: | + anspringende Dynamik + transparente, detailreiche Wiedergabe + sehr gute Plastizität und Räumlichkeit + kraftvoll-voluminöser Bass + treibt auch ausgewachsene Standlautsprecher an + überaus präsente Stimmen- und Instrumentenabbildung im Trioden-Modusabbildung + Ultralinear- und Trioden-Modus für verschiedene Klangcharaktere + Kopfhörer-Ausgang + Bias-Trimmer für optimale Ansteuerung jeder Endstufenröhre und präzise Abgleich aller Kanäle + Endstufenröhren zur Klangindividualisierung gegen kompatible Typen austauschbar + VU-Meter zur Bias-Justage und für die Pegel-Anzeige + Anschlüsse für 4- und 8-Ohm-Lautsprecher + Bluetooth-Streaming in sehr guter Qualität + Bluetooth-Modul mit LDAC-Übertragung für HiRes-Streaming mit geringer Latenz + Bluetooth-Standards/-Codecs: LDAC, aptX, aptX HD, aptX LL (Low Latency), SBC, AAC + attraktives Design + elegant gestalteter Käfig + schockabsorbierende Füße + sehr gute Verarbeitung - prinzipbedingt höherer Stromverbrauch und Hitzeentwicklung - keine Soft Start-Funktion |
Benotung: | |
Klang (60%): | 90/90 |
Praxis (20%): | 90/90 |
Ausstattung (20%): | 90/90 |
Gesamtnote: | 90/90 |
Klasse: | Oberklasse |
Preis/Leistung: | hervorragend |
Getestet mit: | - Streaming-Vorstufe: Lumin Pi Mini - Lautsprecher: Audio Physic Midex - Kopfhörer: Dan Clark Aeon Closed 2, Beyerdynamic DT 1990 Pro - Signalkabel: Audioquest Yukon RCA - Lautsprecherkabel: Audioquest Rocket 88 |